Als ihr klar war, dass ihre Arbeit ein Problem ist, hat Gülay bei der Agentur gekündigt. Ums Geld ging es ihr dabei nicht, eher um Wertschätzung. Ein Urbedürfnis ist das, sagt der Psychologe Jonas Zhang.
Eigentlich hat Gülay in einer Agentur Events organisiert und Promo gemacht. Sie war voller Tatendrang und es war ihre erste richtige Arbeit. "Ich hatte richtig viel Lust auf den Job und habe sehr viel gearbeitet", sagt sie. Obwohl das Gehalt gestimmt hat, hatte sie irgendwann ein komisches Bauchgefühl im Zusammenhang mit ihrer Arbeit. Es wurde stärker, wenn sie nur an die Arbeit dachte. "Ich habe dann irgendwann gemerkt: Die Arbeit ist das Problem und nicht einzelne Themen", sagt Gülay heute über ihren alten Job.
"Den Großteil meiner Lebenszeit verwende ich dafür, einen Konzern reicher zu machen. Das konnte ich nicht mehr mit mir vereinbaren. Das kam relativ plötzlich."
Plötzlich fehlte ihr dann auch die Energie für ihren Job und sie fragte nach dem Sinn ihrer Arbeit. Im Jahr 2015 hat sie relativ spontan gekündigt. Im Nachhinein wird klar, dass sie ein Burnout hatte. Sie konnte keine Termine wahrnehmen. Sie war in dieser Zeit auf Hartz4 angewiesen und ein Jahr arbeitslos. Sie hat sich dann mit Achtsamkeit und Ernährung beschäftigt und versucht, ein gesundes Leben zu führen.
Erfüllt mit Duschbus und Café-Projekt
Über Freunde ist sie auf den Verein Clubkinder gestoßen, der sich sozial in Hamburg engagiert. Zuvor hat sie sich nie die Zeit genommen, das Projekt zu besuchen. Nach Arbeitslosigkeit, Sinn- und Selbstsuche hat sie inzwischen Erfüllung im Ehrenamt gefunden. Es hat rund anderthalb Jahre gedauert, bis aus ihrer ehrenamtlichen Stelle in Vollzeit ein bezahlter Job geworden ist.
Heute macht sie das Sonnenschein Cafe, das Obdachlosen in Hamburg Ottensen jeden Sonntag einen warmen Treffpunkt mit Kaffee und Kuchen bietet. Und sie ist Mitgründerin des Projekts Gobanyo, eines mobilen Duschbusses für Obdachlose.
Im Rückblick ist ihr klargeworden, dass eigentlich ein Prozess zu ihrer spontan wirkenden Kündigung geführt hat. In der Agentur war für Emotionen kein Platz, es war verpönt, transparent mit Gefühlen zu sein. Manchmal hat es ganz offensichtlich an Wertschätzung gefehlt. Sie beschreibt das so: "Ich habe mich als Person nicht richtig gesehen und verstanden gefühlt".
Ein Mangel an Wertschätzung
Rund anderthalb Jahre hat sie dort gearbeitet, als sich ihr Chef nach einem erfolgreichen Event vor Publikum bei dem Projektteam bedanken möchte. Bei dieser Gelegenheit hat er ihren Namen falsch ausgesprochen. Gülay hat lange und intensiv für das Event gearbeitet und er hat sich weder korrigiert oder entschuldigt und Gülay hat daraus geschlossen, dass es an Wertschätzung mangelt.
Das Bedürfnis nach Wertschätzung ist ein menschliches Grundbedürfnis, sagt Jonas Zhang. Der Psychologe arbeitet als Kommunikationstrainer und Coach in der RedeFabrik. Wertschätzung fuße auf ein tief verwurzeltes Urgefühl: die soziale Verbundenheit. Sie sei eine wesentliche Komponente in einer Vielzahl verschiedener Theorien. Personen mit einem geringeren Selbstwertgefühl seien stärker auf Wertschätzung angewiesen.
"Grundsätzlich sieht man bei Menschen, die einen geringeren Selbstwert haben, ein stärkeres Bedürfnis nach Wertschätzung."
Jonas nennt drei Faktoren für besonders wertschätzende Kommunikation:
- Wertschätzung sollte immer individuell sein, also konkret auf eine Person bezogen sein.
- Wertschätzung sollte etwas Spezifisches sein.
- Wertschätzung sollte emotional und authentisch sein.
Wichtig ist auch, dass Wertschätzung überhaupt verbalisiert wird, sagt Jonas. Und wenn sie echt ist, dann ist sie Ausdruck einer tiefen, innere Überzeugung.
"Wertschätzung ist eine Form von innerer Einstellung, dass man nämlich den Glaubenssatz hat, dass eine andere Person es wert ist."
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