Gewalttätige Gesellschaftskritik und zynische Unterhaltung: Mit diesem Themenmix treffen koreanische Serien gerade den Zeitgeist.

Zwei südkoreanische Serien führen die globalen Netflix-Charts an. An der Spitze hat sich die Serie "Hellbound" platziert. Sie ist erst Mitte November gestartet und hat die Horror-Serie "Squid Game" abgelöst (Stand 24.11.2021). Zweimal Horror und beide Serien sind koreanische Produktionen. Auch wenn US-Serien insgesamt die Charts der populärsten Serien weltweit auf der Seite dominieren, sind diese beiden koreanischen Shows doch auffällig populär.

"Hellbound" basiert auf einem Online-Comic mit einer ziemlich großen Fanbase, sagt Anna Wollner. Die Serie sei ab 18 freigegeben und ziemlich brutal, findet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Anna Wollner. "Also definitiv nichts für zarte Gemüter", sagt sie.

Die Geschichte geht in etwa so: In Seoul erscheinen Dämonen, die Menschen den Zeitpunkt verraten, an dem sie in die Hölle kommen. Wenn der Zeitpunkt erreicht ist, kommen riesige Schattenmonster und fressen die Betroffenen auf. Von ihren Opfern bleibt nur ein etwas poröses Skelett.

Unsicherheit als Motiv

In all diesem Chaos entsteht eine neue religiöse Vereinigung. Sie erklärt die Monster als Ausdruck von Gottes Willen. Er wolle so die Menschheit auf den rechten Pfad der Tugend setzen. Diese Religion nennt sich in "Hellbound" die neue Wahrheit".

"In "Hellbound" bekommen wir vor Augen geführt, wie verängstigte Menschen zu Hass, Gewalt und Fanatismus bereit sind und alle Grenzen der Solidarität und des Humanismus außer Acht lassen."
Anna Wollner, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin
Diese Erzählung treffe bei viele Menschen auf Interesse, weil sie vielleicht ein ähnliches allgemeines Gefühl von Unsicherheit verspürten, findet Anna. Der Erfolg von "Squid Game" sei hingegen durch die eingebaute Kapitalismuskritik zu erklären. Schließlich sind alle Teilnehmer des Spiels in der Serie hoch verschuldet.

"Parasite" als Vorläufer

Ales Wegbereiter dieser südkoreanischen Erfolgsserien nennt Anna den südkoreanischen Film "Parasite", der 2020 vier Oscars gewonnen hat. Darunter die Auszeichnung für den besten Film – als erste nicht-amerikanische Produktion überhaupt. Auffällig findet Anna, dass gesellschaftliche Spannungen im Kern der Geschichten stehen, die Einteilung der Gesellschaft in unten und oben
"'Parasite', 'Squid Game' und 'Hellbound' zeigen mit sehr viel Zynismus, eine Gesellschaft, in der die Armen gegeneinander kämpfen und sich Zuschauer an exzessiver Gewalt ergötzen."
Anna Wollner, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin

Neben diesem treffsicheren Gespür für die Attraktivität von Themen in den westlichen Konsumgesellschaften sei wohl auch das südkoreanische Kulturministerium für den Erfolg südkoreanischer Produktionen verantwortlich. Dort sorge eine eigene Abteilung für die internationale Vermarktung südkoreanischer Popkultur. Als Nächstes stehen vielleicht südkoreanische Seifenopern auf dem Programm, vermutet Anna. Eskapismus als Gegenentwurf zum Horror von "Squid Game", "Parasite" und "Hellbound".

Da kommt was auf uns zu: Szene aus der koreanischen Serie "Squid Game"
© AP | Youngkyu Park
Da kommt was auf uns zu: Szene aus der koreanischen Serie "Squid Game"

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Shownotes
Hellbound, Squid Game und Co
Korea-Hype bei Serien: Erfolg durch Gewalt und Gesellschaftskritik
vom 23. November 2021
Moderatorin: 
Sonja Meschkat
Gesprächspartnerin: 
Anna Wollner, Deutschlandfunk-Nova-Reporterin