80 Prozent der Menschen in Singapur leben in Wohnungen, die vom Staat subventioniert werden. Von außen ähneln die Häuser Plattenbauten, aber von innen weisen sie hohe Lebensqualität auf - nicht nur wegen der Ausstattung, sondern auch wegen des Zusammenlebens.

In verschiedenen Rankings gilt Singapur als eine der teuersten Städte der Welt. Für viele Menschen wäre es demnach kaum möglich, eigenen Wohnraum zu besitzen. Aber weil der Staat subventioniert und großzügige Kredite vergibt, können sich auch schon junge Menschen eine eigene Wohnung leisten.

"Singapur ist eine unglaublich teure Stadt."
Jennifer Johnston, Korrespondentin in Südostasien

Viele würden sich mit Anfang oder Mitte 20 die erste Wohnung kaufen und dann heiraten. Wenn dann Nachwuchs komme, verkaufen sie die Wohnung, erklärt unsere Korrespondentin Jennifer Johnston. Mit dem Gewinn aus dem Verkauf ihrer ersten Wohnung können sich junge Familien dann eine etwas größere Wohnung leisten.

"Genauso ist es dann im Alter, da können sie sich dann auch wieder verkleinern", sagt Jennifer Johnston. Sobald die Kinder aus dem Haus seien, würde die Wohnung wieder verkauft werden. So würden sie sich immer den Bedürfnissen anpassen.

Wohnungspolitik verknüpft mit der Geschichte des Landes

Der Grund für diese Wohnungspolitik liegt in der noch jungen Geschichte Singapurs. Der Staat wurde in den 60er Jahren nach dem Ende der Kolonialzeit gegründet. Zwei Drittel der Singapurer haben damals noch in Slums gewohnt, in sogenannten Kampong-Häusern. "Das sind Häuser auf Stelzen, häufig so im sumpfigen Gebiet oder auch im Wasser", so unsere Korrespondentin. Es gab dort kein fließendes Wasser, keinen Strom, keine Toiletten. Es stank und es gab Krankheiten. Staatsgründer Lee Kuan Yew hatte in den Sechzigern sich zum Ziel gesetzt, das zu ändern.

"Am Anfang waren das Mietwohnungen, aber die Leute haben da nicht so darauf acht gegeben. Die Korridore sahen unmöglich aus. Das ist jetzt anders. Denn wenn die Leute etwas besitzen, dann wollen sie auch nicht, dass es Schaden nimmt."
Michael Lee, ehemaliger Stadtplaner

Die Vision des Staatsgründers war, dass jeder Singapurer am Ende auch einen kleinen Teil von diesem neuen jungen Land abhaben soll. Ein ehemaliger Stadtplaner in Singapurs Wohnungsbaubehörde sagt, der Staat habe angefangen, Wohneigentum zu fördern, weil man feststellte, dass die Menschen besser mit den Wohnungen und Gebäuden umgingen, wenn sie ihnen gehörten. Darum besitzen heute fast 80 Prozent der Singapurer ihre Wohnungen.

Damit das überhaupt möglich war, hat Singapur zunächst sehr viel Land verstaatlicht und dann angefangen, große Häuserblöcke zu bauen. Es sollte damals schnell gehen und günstig sein. Bis heute hat Singapur eine sehr effiziente Bauweise. Bei der Vergabe gibt es außerdem klare Regeln: Wer eine subventionierte Wohnung kaufen möchte, darf keine zweite Wohnung besitzen und ein bestimmtes Einkommen nicht überschreiten.

"Mich erinnert das häufig so an Plattenbausiedlungen."
Jennifer Johnston, Korrespondentin in Südostasien

Größen und Schnitte der Wohnungen sind meist sehr ähnlich. Es gibt Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen. "Da gibt es sogar eine eigene Ausstellung in Singapur, wo man die einmal so probewohnen kann", berichtet Jennifer Johnston. Darin könne man durch Wohnzimmer und Küche laufen und sich vorstellen, wie das so wäre und wieviel Platz man brauche.

Von außen erinnern die Gebäude an Plattenbau, aber von innen sind sie sehr individuell eingerichtet. Da es sich um Eigentum handelt, können die Bewohner*innen ihre Appartements dem eigenem Geschmack anpassen. "Da gibt es Wohnungen, die sehen aus wie eine Schiffskajüte mit ganz viel dunklem Holz, Stockbetten, viel vergoldet, andere Wohnungen sind supermodern mit offener, großer Wohnküche", berichtet Jennifer Johnston.

Das Herz: Ein Zentrum für alle

Das besondere an den Wohneinheiten ist aber vor allem die Gemeinschaft: Denn neben den Appartements gehören auch öffentliche Räume dazu. "Es gibt zum Beispiel Spielplätze, Fitnessgeräte, ein Basketballplatz, ein Schwimmbad, eine Joggingstrecke – in den moderneren Blocks auch mal im 33. Stock", sagt unsere Korrespondentin.

Das Herz eines jeden Zentrums ist dann ein sogenanntes Community-Center, mit Bibliothek, Arztpraxis. Sprachkurse oder Nachhilfe für Kinder werden hier angeboten. Diese Angebote sind für die Bewohnenden viel günstiger, als wenn sie diese privat in der Stadt in Anspruch nehmen.

Gute Durchmischung für sozialen Frieden

Wer in eine subventionierte Wohnung einziehen möchte, muss sich bewerben, denn es wird auch großen Wert auf eine gute gesellschaftliche Mischung in den Wohnblocks geachtet. Es gibt Quoten, die sich am Anteil bestimmter Ethnien in der Gesamtbevölkerung orientieren: Chinesen, Inder und Malaien. "Wenn ein Chinese auszieht, muss auch wieder einer einziehen", sagt die Korrespondentin.

Diese Quoten sollen Gettos verhindern und dafür sorgen, dass sich Ethnien und Religionen vermischen. Langfristig soll das sozialen Frieden schaffen, weil gegenseitiges Verständnis füreinander entwickelt werde, so Jennifer Johnston.

"In Deutschland würden wir vielleicht sagen: Was mischt sich der Staat hier so viel in unsere privaten Angelegenheiten ein? Aber hier in Singapur werden diese vielen Regeln des Staates wirklich akzeptiert und die Singapurer sind auch ziemlich stolz auf ihre Wohnungen."
Jennifer Johnston, Korrespondentin in Südostasien

Dabei wohnen nicht nur die verschiedenen Religionen Tür an Tür, sondern auch Haushalte mit verschiedenen Berufen, Einkommen und Bildungsniveaus.

Shownotes
Geförderter Wohnraum
In Singapur leben viele in Sozialwohnungen
vom 25. April 2023
Moderator: 
Markus Dichmann
Gesprächspartnerin: 
Jennifer Johnston, Korrespondentin in Südostasien