Es gibt Rollen, die wir früh im Familienverbund übernommen haben. Das kann beeinflussen, wie wir uns später in andere Gruppen einfügen. Was, wenn uns eine zugeschriebene Rolle nicht gefällt? Und worauf kommt es bei der Zusammensetzung von therapeutischen Gruppen an?
Familie, Schule, Sportverein, Ausbildung oder Studium und Berufsleben – immer wieder werden wir im Laufe unseres Lebens Teil unterschiedlicher Gruppen. Welche Rolle innerhalb eines sozialen Gefüges wir dabei übernehmen, hängt von unterschiedlichen Faktoren ab, sagt Psychotherapeut und Psychiater Bastian Willenborg.
"Es gibt bestimmte Rollen in Gruppen und je nachdem, welche Rolle noch frei ist oder auch nicht, bekommen wir dann eine zugewiesen, bewusst oder unbewusst. Das ist so eine Theorie, die es gibt."
Zum einen hängt es mit unseren Lernerfahrungen zusammen. Welche Rolle hatten wir zum Beispiel in unserer Familie? Waren wir schon immer jemand, der nach vorne schreitet und Neues ausprobiert oder jemand, der empathisch ist, die Gefühle der anderen Gruppenmitglieder im Blick hat und ausgleichend handelt?
"Dass wir ähnliche Rollen übernehmen, kann damit zusammenhängen, was wir gelernt haben. Wen man sagt: 'Ich war früher schon immer der, der er für Harmonie gesorgt hat.' - dann ist man das vermutlich auch später noch im Leben."
Es hat also zum einen damit zu tun, was für eine Persönlichkeit wir haben, ob wir gerne im Vorder- oder Hintergrund stehen wollen, eher Impulse für Innovation geben oder eine hinterfragende Position einnehmen.
Zum anderen kann es aber auch vorkommen, dass wir eine Rolle annehmen, die einfach noch nicht besetzt ist und es fällt uns leicht, uns darin einzufinden. Das kann unbewusst oder auch bewusst passieren, sagt der Psychiater Bastian Willenborg.
"Die Rolle, die man in einer Gruppe hat, hat man in einer anderen vielleicht nicht so hundertprozentig, das ist nicht immer ganz deckungsgleich."
Und es kann durchaus auch sein, sagt der Psychotherapeut, dass unsere Rollen in unterschiedlichen Zusammenhängen nicht ganz deckungsgleich sind. Gerade systemische Therapeuten schauen hier sowohl auf äußere wie auch innere Faktoren, sagt Bastian Willenborg.
Dabei stellen sie insbesondere folgende Fragen: Wie ist das Umfeld? Was passiert in bestimmten Gruppen? Welche Rollen sind frei? Welche Funktion kann ein Gruppenmitglied übernehmen?
Wenn wir unsere Rolle in der Gruppe umdefinieren wollen
Es kann auch vorkommen, dass wir mit einer Rolle, die wir in einer Gruppe angenommen haben oder die uns zugefallen ist, nicht mehr zufrieden sind. Dass wir vielleicht hinterfragen, dass wir beispielsweise immer diejenigen sind, die allen anderen helfen oder entgegenkommen, ohne vielleicht selbst zu äußern, was wir möchten.
Der wichtigste Schritt für eine Veränderung ist, dass wir uns dessen bewusst werden, was uns möglicherweise stört und was wir verändern wollen, sagt der Psychotherapeut. Ein nächster Schritt könnte dann sein, auszuprobieren, wie die Gruppe darauf reagiert, wenn wir unser Verhalten verändern und dadurch möglicherweise gewissen Erwartungen nicht mehr entsprechen.
Wenn wir unsere Rolle ändern wollen, beständig bleiben
Dabei sollen wir möglichst beständig und dauerhaft bei neuen Verhaltensweisen bleiben, damit die Gruppe die Veränderung akzeptieren und bestenfalls mittragen kann, erklärt Bastian Willenborg. Das Ziel ist im Idealfall, Teil unserer sozialen Gruppen zu bleiben und ihnen nicht den Rücken zuzukehren, weil wir unzufrieden mit unserer Rolle sind. Denn der Kontakt mit anderen ist essenziell für unsere mentales Wohlbefinden, betont Bastian Willenborg.
Therapie: Gruppen sollen nicht zu homo- oder heterogen sein
Während die Lerngruppe an der Uni meist zufällig zusammengewürfelt ist, ist es in der Gruppentherapie hilfreich und nützlich, dass Therapeuten bestimmen, welcher seiner Patienten Teil einer Gruppe werden.
Eine erfolgreiche Gruppentherapie hängt auch davon ab, dass der Einzelne durchaus auch korrigierende Erfahrungen durch andere Patienten macht, sagt der Psychiater. Dafür ist aber ein guter Gruppenzusammenhalt wichtig.
Die Zusammensetzung darf nicht so sein, dass Langeweile aufkommt, aber auch nicht so, dass sich Teilnehmenden nicht miteinander vertragen können. Deswegen achtet Bastian Willenborg darauf, dass die Patienten in einer Gruppe nicht zu ähnlich oder zu unterschiedlich sind.
