Ein Tag ohne Brot? In Deutschland kaum denkbar. Doch immer weniger Menschen wollen im Bäckerberuf arbeiten. Die Branche hat heftigen Fachkräftemangel. Woran das liegt und wie Betriebe gegensteuern könnten.

Brot gehört zur Kultur in Deutschland. Die nationale Unesco-Kommission nahm 2014 die deutsche Brotkultur in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes auf. Aber jeden Tag in der Backstube stehen und anschließend Brötchen verkaufen? Immer weniger Menschen sehen hier ihren Beruf.

Die Bäckerbranche hat ein Nachwuchsproblem, das – laut Zahlen des Zentralverbands des Deutschen Handwerks – ab 2011 einsetzte und seither immer stärker wird. Demnach fiel die Zahl der Bäckerazubis 2021 bis auf 12.242. Deutschlandfunk-Nova-Reporter Paulus Müller meint, ein Grund für diese Entwicklung könnten die Arbeitszeiten sein.

"Ich vermute, die Arbeitszeiten sind ein Grund, warum so wenige Bäcker werden wollen. Wer hat schon Bock, um 22 Uhr anzufangen zu arbeiten – und das auch oft am Wochenende und Feiertagen?"
Paulus Müller, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Sozialverträgliche Arbeitszeiten und frisches Brot

Es gibt Bäckereien, die sich dem Fachkräftemangel unter anderem mit sozialverträglicheren Arbeitszeiten entgegenstellen wollen – in der Bäckerei von Alexander Onasch in Köln klappt das schon. Während sein Laden zur besten Brötchenzeit um 8 Uhr für Kund*innen noch geschlossen ist, bereitet der Bäcker den Teig vor – während Kolleginnen und Kollegen seines Fachs langsam Feierabend machen. Im Gegensatz zu anderen Läden gibt es bei "prôt von Alex" keine Brötchen, Kuchen oder Snacks. Alex sagt: "Ich habe den Laden seit 2019. Im Grunde habe ich dabei komplett anders gedacht und viele Dinge hinterfragt. Das ist daraus entstanden."

Dass es sich hier nicht um eine handelsübliche Bäckerei handelt, fällt nicht nur beim Blick aufs Sortiment auf. Auch die Öffnungszeiten unterscheiden sich zu zu klassischen Bäckereifilialen in der Fußgängerzone. Alex hat Sonntag und Montag nicht geöffnet und an den Resttagen arbeitet er von 10 bis 18:30 Uhr.

"Ich mache erst um 10 Uhr morgens auf und ich habe hier ein komplett reduziertes Sortiment. Ich habe sieben Sorten Brot und dann war es das auch. Ich habe keine Snacks, keinen Kaffee, keinen Kuchen, keine Brötchen. All das, was man vielleicht so erwartet, habe ich nicht."
Alexander Onasch, Bäcker aus Köln

Flexibilität bei der Arbeit durch Technik

Hinter all dem steckt ein Konzept, das die Öffnungszeiten der Bäckerei ermöglicht. Alex nutzt eine lange, kalte Gare für seinen Brotteig. "Wir machen den Teig nachmittags, mittags und lassen den dann zwei Tage in der Kühlung bei drei bis vier Grad langsam fermentieren. Dadurch entwickelt das Brot dann sehr viel Geschmack, Frische und Aroma. Und das Ergebnis davon ist, dass meine Jungs nicht nachts anfangen müssen zu arbeiten", beschreibt er die Methode.

Die Herangehensweise ist noch nicht mal neu. Früher haben Bäcker ihren Teig auch häufig länger liegen lassen. "Auch neapolitanische Pizza entsteht mit langer kalter Gare", erklärt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Paulus Müller. Um so arbeiten zu können – und damit seinen Mitarbeitenden angenehme Arbeitszeiten zu ermöglichen –, investierte Alex in eine große Kühlung. Ein Kühlraum ist in der Backstube und im Keller gibt es weitere.

"Es ist kein Kühlhaus, wie man es vielleicht kennt. Das ist nicht einfach nur ein Raum, wo durch ein Gebläse kalte Luft eingebracht wird, sondern es hat halt eine Luftführung."
Alexander Onasch, Bäcker aus Köln

Alex erklärt die Besonderheiten seiner Kühlräume: "Man hat eine zirkulierende Bewegung und so wird die kalte Luft ans Produkt gebracht und hier steht ein Feuchtigkeitsfühler, durch den noch gezielt Wasser verdampft." Das verdampfte Wasser sorgt dafür, dass die Teiglinge während der längeren Lagerung nicht austrocknen.

Die hinzugewonnene Zeit bringt Alex die Flexibilität, die er braucht. Bei niedrigen Temperaturen arbeiten die Mikroorganismen (die Hefen, Bakterien und Enzyme) langsamer. Das System hat im Vergleich einen höheren Energieverbrauch und verursacht dadurch höhere Kosten. Deswegen ist das Brot bei "prôt von Alex" mit etwa fünf Euro pro Laib etwa 30 Prozent teuer als in Bäckereiketten. Für Alex lässt sich so aber die Nachtschicht komplett vermeiden. Die Folge: Er hat keine Probleme, Mitarbeiter*innen oder Azubis zu finden. Er hofft, dass das Konzept der langen kalten Gare Zukunft hat im Bäckerhandwerk.

Shownotes
Spezieller Teig
Wenn Bäcker später aufstehen dürfen
vom 03. Juli 2023
Autor: 
Paulus Müller, Deutschlandfunk-Nova-Reporter