Die Doku "Hungern für Gold", die in der ARD-Mediathek gestreamt werden kann, bricht mit dem Tabu der Essstörung im Spitzensport. Sie deckt auf, dass es Strukturen gibt, die diese Praxis fördern.
Viele Spitzensportler und -sportlerinnen gehen an den Rand des Menschenmöglichen, um Topleistungen zu erreichen. Sie opfern viel, um im Sport an die Spitze zu gelangen. Darunter leidet oft auch die Gesundheit. Zwei ehemalige Athletinnen haben sich in der ARD-Doku "Hungern für Gold" öffentlich über ihre Essstörungen geäußert.
"Ausgerechnet nach einem meiner größten Erfolge hier bei der Heim-WM in Ruhpolding sagte mein Trainer danach zu mir: 'Stell dir vor, wie schnell du mit drei Kilo weniger gewesen wärst. Ab da fing ich an, Gewicht zu verlieren."
Die ehemalige Turnerin Kim Bui hat vor Kurzem öffentlich gemacht, dass sie jahrelang an Bulimie gelitten und sich nach dem Essen erbrochen habe. Die ehemalige Biathlon-Weltmeisterin Miriam Neureuther sagt, sie habe eine Zeit lang kaum gegessen. Grund dafür war bei beiden der Sport, äußern die Athletinnen.
Gewichtsreduktion führt in vielen Sportarten zu besseren Leistungen
Die ARD-Doku enthüllt, dass im Spitzensport Strukturen bestehen, damit über dieses Problem nicht gesprochen wird. Athletinnen und Athleten werden teilweise sogar dazu gezwungen, abzunehmen, zu hungern und ständig auf ihr Gewicht zu achten.
In bestimmten Sportarten stellt ein geringeres Gewicht einen Vorteil dar oder wird als ästhetischer und schöner wahrgenommen wird. Das gelte zum Beispiel für Sportarten wie Skispringen, Biathlon und Langstreckenlauf, bei denen ein geringeres Gewicht oft zu besseren sportlichen Leistungen führt.
"Thema Gewicht war bei mir ein großes. Wenn ich jetzt heute Bilder von mir sehe und mich nicht kennen würde, würde ich sagen: Alter, guck' dir mal den Typen an, der ist ja magersüchtig."
Beim Skispringen hat man bereits damit begonnen, bestimmte Dinge zu ändern, indem beispielsweise das Material, also die Skier, mit dem Body-Mass-Index in Korrelation gesetzt werden. Das bedeutet, dass Sportler mit einem sehr geringen Gewicht entsprechend kürzere Skier erhalten.
Dadurch führt eine extreme Gewichtsabnahme nicht mehr zu so einer großen Leistungssteigerung, wie es bisher der Fall war. Aber die Dokumentation zeigt auch, dass die Maßnahmen noch weiter gehen könnten, um die gängige Praxis, die Essstörungen bei Athleten und Athletinnen fördert, zu verhindern.
Schon junge Sportler*innen werden zur Gewichtsreduktion angehalten
Die Doku zeigt an zwei Beispiele von jüngeren Sportler*innen, dass Trainer*innen und Verein oftmals wohl vermitteln, dass diejenigen, die besonders dünn sind, auch erfolgreicher sind. Aber auch den Ärzten und Ärztinnen, die die Athlet*innen betreuen, kommt eine Verantwortung zu.
Denn es gibt eigentlich in allen Sportarten regelmäßige medizinische Tests, die darüber entscheiden sollen, ob ein Profisportler oder eine -sportlerin aufgrund ihrer körperlichen Gesundheit als sporttauglich eingestuft werden können.
Esstörungen wie Magersucht oder extremes Untergewicht sind wohl für viele Ärzte kein Grund, um eine Untauglichkeit zu bescheinigen. Das räumt in dieser Doku zum Beispiel die Assistenzärztin Sarah Bukmakowski auf Nachfrage ein. Oft herrsche auch keine offene Kommunikation zwischen Sportlern und Ärzten, weil in der Regel kein Athlet als sportuntauglich gelten möchte. Denn das würde verhindern, dass sie an anstehenden Wettbewerben teilnehmen dürfen.