Schlägereien, Randale und Feuerwerk: Die Gewalt bei Fußballspielen in Stadien und außerhalb scheint auf einem neuen Level zu sein. Das hat auch etwas mit der Polizei zu tun, ist Fanforscher Harald Lange überzeugt.
Gewalttätige Fußballfans, die andere angreifen, verletzen und randalieren: Die erste und zweite Bundesliga erleben im Herbst und Winter 2023 recht brutale und vor allem große Ausschreitungen. Trauriger Höhepunkt waren mehr als 200 Verletzte in Frankfurt am Main im November. "Aber auch in Hamburg, Braunschweig und Bochum gab es Gewalt und Verletzte", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Dominik Peters.
Für Martin Fröhlich, Vorsitzender der DFB-Kommission Fans und Fankultur, spiegelt sich darin ein gesamtgesellschaftlicher Trend. Er sagt: "Wir sehen seit der Corona-Pandemie auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen schnell eskalierende Konflikte." In der DFB-Arbeitsgemeinschaft Stadionsicherheit suchen Vereine und DFB-Offizielle nach Lösungen. Fans werden offiziell zur Deeskalation aufgerufen. Die Polizei wird namentlich nicht erwähnt, sagt Dominik Peters.
Mitverantwortung der Polizei
Dabei gehe es bei diesen Ausschreitungen nicht primär um rivalisierende Fangruppen, die sich gegenseitig angreifen, das seien primär Konflikte zwischen Fans und Polizei, beobachtet der Fanforscher Harald Lange von der Universität Würzburg.
Er sieht also die Polizei mit in der Verantwortung für die Gewalteskalation. Die Polizei habe zuletzt häufiger Spiele als Hochrisikospiele eingestuft und ihr Personal entsprechend aufgestockt. Insgesamt gehe die Polizei momentan kompromissloser gegen Fans vorgehen, als noch vor ein paar Monaten und Jahren.
"Die Polizisten drohen damit, die Blöcke zu stürmen und tun es dann auch. Das sind in der Häufung Indizien, die darauf hindeuten, dass vor allem seitens der Polizei offensichtlich ein härterer Kurs gefahren wird."
Harald Lange spricht von einem Law-and-Order-Prinzip. Das provoziere die Fans. Deren Streitereien seien oft die Auslöser, automatisch unschuldig seien die Fans also nicht. Der Forscher kritisiert, dass Fan-Gruppierungen häufig im Kollektiv bestraft werden. Also nicht die einzelnen Randalierer, sondern es gehe mit Pfefferspray und Schlagstöcken in den ganzen Block. Dann schaukele sich die Gewalt hoch, weil Unbeteiligte mit reingerissen würden.
"Vereinsübergreifend kann man sehen, dass sich die Gruppen miteinander solidarisieren, weil sie alle in der Polizei einen gemeinsamen Feind haben."
Als Gegenmittel wünscht sich die niedersächsische Polizeigewerkschaft mehr Videoüberwachung in Stadien. Die Bundesinnenministerin will prüfen, ob härtere Strafen für Pyrotechnik in Stadien möglich sind.
Beidseitige Deeskalation als Ziel
Für Harald Lange ist das der falsche Weg. Nötig sei nüchterne Analyse - und Selbstkritik auf beiden Seiten. Mit Blick auf Einsatztaktik, auf Mediation und alle anderen Maßnahmen müsse die Frage sein: Wie kriegen wir diese Situation wieder befriedet? Wie können wir da ein bisschen Luft aus diesem Kessel ablassen? Mehr Härte seitens der Polizei könne das Gewaltproblem des Fußballs jedenfalls nicht lösen, findet Harald Lange.
"Wenn die Zukunft so aussehen soll, dass die Polizei mit noch mehr Härte droht, dann wird das Ganze noch weiter eskalieren."