An Leistungstiefs gibt’s auf den ersten Blick nichts Positives. Doch Sportpsychologe Jens Kleinert ist überzeugt: Die Fehler im Training sind beim Sport mindestens so wichtig wie der Sieg im Wettkampf.
Gerade im Fußball werden gerne "echte Männer" und Härte gefordert – für Schwäche scheint da kein Platz zu sein. Das findet Sportpsychologe Jens Kleinert von der Sporthochschule Köln problematisch.
Schwache Leistungen im Sport – eine wichtige Basis
Schwächen sind laut Kleinert sehr wichtig im Sport – sie werden selten öffentlich gezeigt – und das aus gutem Grund. Schließlich habe Schwäche im Wettkampf in den meisten Fällen mit Verlieren zu tun, erklärt der Forscher.
"Das ist kein Tabu, aber das ist erstmal etwas Negatives." Denn beim Wettkampf gehe es eben darum, zu gewinnen. Wenn die Selbsteinschätzung gerade mal in die negative Richtung geht, sollten Athleten sich immer erstmal auf ihre positiven Potenziale fokussieren.
Dagegen hat Schwäche zeigen im Training ein großes Potenzial, sagt Jens Kleinert. "Schwäche zeigt mir, wo meine Veränderungsnotwendigkeiten sind." Das hilft, das Training genauer zu steuern und führe zu gesunder Selbstreflexion, die die Leistung voranbringt. Wichtiger als die tatsächliche Wettkampfsituation sei, wie der Spieler während des Trainings mit Fehlern und Schwächen umgeht.
Deswegen plädiert Kleinert: "Wir brauchen eigentlich eine Schwächekultur, genauso wie wir eine Fehlerkultur brauchen." Diese Einstellung wird laut dem Sportpsychologen im heutigen Jugendtraining viel deutlicher verankert als früher.
"Dass man intern über Schwächen redet, ist wichtig."
Die Tatsache, dass Athleten sich dennoch oft nicht trauen, Schwäche zu zeigen, hat für den Sportpsychologen zwei Gründe: Da ist die Angst, dass man dadurch beim nächsten Spiel nicht berücksichtigt wird, obwohl das möglicherweise vom Trainer anders gesehen wird. Andererseits gebe es immer noch viele Trainer, die Schwäche als Makel betrachten.
Das habe auch mit überkommenen Traditionen zu tun, erläutert der Forscher. Viele Trainer kopierten den Trainingsstil, den sie selbst als junge Athleten erlebt haben. "Und das war nicht immer positiv", so Kleinert.
Statt an Fußballer zu appelieren, "wie Männer zu spielen", schlägt Kleinert deshalb vor, den Ausdruck "mutig spielen" zu nutzen, wie es viele Trainer tun. Das schaffe eine andere Erwartungshaltung, die nichts mit Schwäche oder dem Geschlecht zu tun hat.
Menschen, für die das Zeigen von Schwäche gut ausging:
- Die Sozialwissenschaftlerin Brené Brown forscht zum Thema Verletzlichkeit und sollte darüber einen TED-Talk halten. Stattdessen entschied sie sich aber dafür, in der Rede über ihre eigenen Schwächen auszupacken – inzwischen ist das Video mit über 40 Millionen Aufrufen einer der beliebtesten TED-Talks überhaupt; Brown hat danach mehrere Bestseller über Schwäche geschrieben.
- Kurz nach dem Ende seiner Profifußball-Karriere kritisierte Per Mertesacker öffentlich den Druck auf Nationalspieler, der bei ihm zu Panikattacken führte. Das hat sich gelohnt: Der 35-Jährige hat damit für eine Fehlerkultur im Fußball plädiert. Als Jugendfußballtrainer ist er weiterhin im Sport aktiv.
- Unternehmer Pozzo Di Borgo wurde bei einem Gleitschirmflug-Unfall querschnittsgelähmt und damit schwerstbehindert – plötzlich war er 24 Stunden am Tag auf Hilfe angewiesen. Diese Erfahrung verarbeitete der Franzose in einem Buch, das später im gefeierten Film „Ziemlich beste Freunde“ adaptiert wurde.
- Eigentlich sollen die britischen Royals stets lächeln und ein makelloses Leben repräsentieren. Herzogin Meghan hat in einer Dokumentation ihre Schwierigkeiten mit dem royalen Leben preisgegeben und damit auf ungewohnte Weise Schwäche gezeigt. Dafür erntete sie viel Mitgefühl.
- Selena Gomez machte auf Instagram ihre Nieren-Transplantation öffentlich, Selma Blair dokumentiert auf der Plattform ihre voranschreitende Multiple Sklerose und Lena Dunham schrieb auf ihren sozialen Medien über den physischen und psychischen Schmerz, im als junge Frau sich die Gebärmutter herausoperieren lassen zu müssen. Die drei Schauspielerinnen geben diesen Krankheiten so eine breitere Öffentlichkeit und zeigen, dass in Hollywood nicht alles Glamour ist.
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