Ersatzfreiheitsstrafen sollen verkürzt werden. So ein Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium. Der Aktivist Arne Semsrott hält das für nicht zielführend.
Wer ohne gültigen Fahrschein Bus oder Bahn fährt und dabei erwischt wird, bekommt zunächst eine Geldstrafe aufgebrummt, das sogenannte erhöhte Beförderungsentgeld. Wenn das mehrmals passiert und die Geldstrafe nicht bezahlt wird, kann es dazu führen, dass man am Ende eine Haftstrafe im Gefängnis absitzen muss. Das Ganze nennt sich Ersatzfreiheitsstrafe.
Diese Ersatzfreiheitsstrafen sind umstritten. Auf der einen Seite gibt es Stimmen, die eine Haft fürs Fahren ohne Ticket unverhältnismäßig finden, auf der anderen Seite kosten Hafttage Geld – und das zahlen am Ende die Steuerzahler*innen.
Neuer Gesetzesentwurf
Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP hat schon länger angekündigt, dass das Gesetz an dieser Stelle überarbeitet werden soll. Nun hat er einen Gesetzesentwurf vorgelegt, nach dem die Ersatzfreiheitsstrafe verkürzt werden soll. Menschen, die ohne Ticket gefahren sind, müssen dann nur noch halb so lange ins Gefängnis.
Arne Semsrott ist Journalist und Aktivist. Er sammelt mit dem "Freiheitsfonds" Geld, um Menschen, die ohne Ticket gefahren sind, aus der Haft freizukaufen. Der Aktivist sagt zu dem neuen Gesetzesentwurf: "Das löst keines der Probleme."
"Kürzere Freiheitsstrafen ändern die Grundsatzproblematik nicht."
Arne Semsrott erklärt es anhand eines Beispiels: "Wenn jemand öfters dabei erwischt wird, ohne Ticket zu fahren – sagen wir mal sechs, sieben Mal und die Strafe nicht zahlen kann – dann muss die Person vielleicht drei oder vier Monate in den Knast, weil die Person einen Schaden von vielleicht 20 Euro verursacht hat."
Nach dem neuen Gesetzesentwurf würde sich die Haftzeit nun auf rund zwei Monate verringern. "Das ist weiterhin wahnsinnig ungerecht. Das ist diskriminierend gegenüber armen Menschen. Das löst das Grundsatzproblem nicht", sagt er.
"Wenn man eine Geldstrafe bekommt von einem Gericht in einem Urteil oder einem Strafbefehl, dann ist es ja sehr ausdrücklich keine Freiheitsstrafe."
Verhängte Geldstrafen bedeuten seiner Meinung nach, dass es einem Gericht reicht, wenn man ein paar hundert Euro oder ein paar tausend Euro als Ausgleich zahlt. "Die meisten Leute sind auch irgendwie in der Lage, das zu zahlen. Die müssen es sich vielleicht borgen. Aber die zahlen, weil natürlich niemand in den Knast will", sagt Arne Semsrott.
Diejenigen, die am Ende ins Gefängnis müssen, weil sie das Geld einfach nicht haben, seien vor allem Menschen, die meist ohnehin am Rande der Gesellschaft stehen – weil sie das Geld nicht haben, weil sie generell kein Einkommen, keine Wohnung und oder vielleicht psychische Krankheiten haben.
"Wir haben eine Praxis, in der arme Menschen bestraft werden."
Seiner Meinung werden durch diese Praxis vor allem arme und sozial benachteiligte Menschen bestraft, die es ohnehin schon schwer haben. Er findet das diskriminierend und sagt: "Ein paar kürzere Strafen draus zu machen. Das bringt letztlich nichts."
Das gesamte System der Ersatzfreiheitsstrafen auf den Prüfstand stellen
Arne Semsrott findet, dass das System der Ersatzfreiheitsstrafen insgesamt auf den Prüfstand gestellt werden müsste. Das betreffe nicht nur das Fahren ohne Fahrschein, sondern auch geringfügige Diebstähle oder Betrug. "Sachen, die wenig Schaden verursachen, wo die Leute aber nicht das Geld haben, ihre Geldstrafe zu zahlen", sagt er.
Fahren ohne Fahrschein müsse außerdem entkriminalisiert werden, damit Menschen gar nicht mehr in die Situation kommen, überhaupt von einer Ersatzfreiheitsstrafe bedroht zu sein.
Ein weiteres Problem sieht er darin, dass die Menschen, die von einer Ersatzfreiheitsstrafe betroffen sind, oftmals nie einen Richter oder eine Richterin gesehen haben, "weil sie in einem Strafbefehlsverfahren – in so einem Fünf-Minuten-Verfahren – dazu verurteilt wurden, ohne dass sich wirklich jemand mal ausführlich mit ihrem Fall beschäftigt hat", so Semsrott. All das seien Grundsatzprobleme im deutschen Justizsystem, die im neuen Gesetzesentwurf überhaupt nicht zur Sprache kämen.
Der Paragraph stammt aus der Zeit des Nationalsozialismus
Arne Semsrott findet es ausreichend, wenn Menschen, die beim Schwarzfahren erwischt wurden, weiterhin ein erhöhtes Beförderungsgeld zahlen müssten. Seiner Meinung ist es jedoch übertrieben, dass – wenn es nicht gezahlt wird – sich auch noch der Staat einmische und die Personen strafrechtlich verfolgt. "Das haben wir jetzt seit 1935 im Strafgesetzbuch. Und ich glaube, 87 Jahre sind genug. Das muss da endlich raus", sagt er.