Alkohol ist überall – und das hat Folgen: Alkoholkranke und deren Angehörige, die unter der Sucht leiden. Lara wünscht sich, sie hätte als Kind einer alkoholkranken Mutter gewusst, wo sie Hilfe bekommt.
Es ist Sommer, als Laras Mutter zu trinken beginnt. Lara ist damals 12. Sie erinnert sich: "Meine Mutter war Hausfrau. Ich kannte es so, dass es nach der Schule Mittagessen gab und sie mit mir Hausaufgaben machte." All das findet nicht mehr statt.
Also wird Lara zur derjenigen, die Mittagessen macht. Und sie kümmert sich immer öfter um ihre Mutter. Lara ist mit all der Verantwortung allein. "Der Vater hat sich rausgehalten, ging früh zur Arbeit, kam spät nach Hause", erzählt sie, "und die Oma wollte nicht wahrhaben, was passiert."
Alkohol macht einsam – das gilt auch für die Angehörigen
Durch die Schulzeit kommt Lara trotz all dem ganz gut durch, wie sie sagt. Dann fügt sie hinzu: "Das ist für mich immer noch ein bisschen wie ein Wunder." 2017 stirbt die Mutter und Lara fühlt sich frei. Sie zieht weg und lebt.
Doch dann merkt sie, dass die Zeit mit ihrer alkoholkranken Mutter und dem abwesenden Vater sie einholt. "Es mag nicht so schlimm klingen, aber bis heute erzähle ich Alltagslügen", sagt sie. Das ist eine Gewohnheit, ein Schutzmechanismus von früher. Niemand sollte erfahren, was zuhause los war, also erfand Lara Geschichten über das Familienleben, darüber was sie am Wochenende machten.
Mit Anfang zwanzig beginnt Lara eine Therapie, um aufzuarbeiten, was ihr damals im Alter von zwölf Jahren aufgebürdet wurde. Bis heute meidet Lara Alkohol. Alleine der Geruch weckt bei ihr schlechte Erinnerungen. Wenn jemand trinkt, hat sie Angst, dass die Person abstürzt und fühlt sich direkt für das Wohlergehen der Person verantwortlich.
"Angehörige sind uns willkommen, wir sind auch für sie da."
Mit 16 hatte sich Lara kurzzeitig Hilfe bei einer Familienberatungsstelle geholt. Dass Menschen wie ihr auch Unterstützung und Informationen bei einer Suchtberatungsstelle zustehen, wissen die wenigsten Angehörigen, sagt Birte Holm von der ambulanten Suchthilfe in Bonn. Obwohl der Leidensdruck von Angehörigen durchaus sehr hoch ist, sagt sie, kommen Angehörige eher selten in die Beratungsstelle.
Lernen, den Fokus auf das eigene Wohl zu richten
Die Tatsache, dass Angehörige die Suchtberatungsstelle nicht aufsuchen, liegt Birte Holms Einschätzung nach an der vorherrschenden Überzeugung: Diejenige Person, die trinkt, hat ein Problem. Das eigene Leid als Angehöriger oder als Angehörige werde oft gar nicht ernst- oder überhaupt wahrgenommen.
"Es gibt nicht das eine richtige Wort, das Angehörige sagen können, um eine Person dazu zu bringen, mit dem Trinken aufzuhören."
Zunächst kann es für Familienmitglieder oder Freund*innen von Alkoholkranken hilfreich sein, Informationen über eine Suchterkrankung zu bekommen, erklärt Birte Holm. Doch die meisten, die zu ihr und ihrem Team kommen, wollen wissen, was sie tun können, damit das Familienmitglied aufhört Alkohol zu konsumieren. Diese Macht haben Angehörige aber nicht, sagt Birte Holm. Der oder die Kranke muss den Weg selbst gehen. Das einzusehen mache viele Angehörige hilflos und mitunter auch wütend.
"Angehörige fühlen sich meistens hilflos."
Lara spricht inzwischen öffentlich über ihre alkoholkranke Mutter. Auf diese Weise möchte sie Menschen Mut machen, sich Hilfe zu holen und auf sich selbst zu achten. Dazu gehört ihrer Erfahrung auch, zu verstehen, dass man – so weh es tut – niemandem helfen kann, der sich nicht helfen lassen möchte.
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