Sulaiman Tadmory war zwei Jahre lang eingeschlossen in der syrischen Stadt Homs – von den Truppen des Präsidenten Baschar al-Assad, von der iranischen und der russischen Armee. 2015 gelang ihm die Flucht, heute lebt er in Deutschland und arbeitet als Journalist. Er fühlt sich zu Hause hier, sagt er. An Angela Merkels Satz "Wir schaffen das" denke er noch immer jeden Tag.

Sulaiman Tadmory wird 1988 in Syrien geboren. Während der Schule arbeitet er als Steinmetz, Koch, Verkäufer und Maler. Später absolviert er im Libanon eine Ausbildung im Bereich Marketing und Film und kehrt danach in seine Heimat zurück, nach Homs, der drittgrößten Stadt Syriens.

Homs, die belagerte Stadt

Im Jahr 2011 – Sulaiman Tadmory ist 23 Jahre alt – ändert sich dort alles: Über Nacht umstellt Assads Armee die Altstadt. "Keiner durfte raus, keiner durfte rein, Scharfschützen waren überall", erzählt Sulaiman. Er wohnt plötzlich in einer belagerten Stadt und kämpft täglich ums Überleben: kaum Wasser und Nahrungsmittel, keine Medikamente, kein Strom, seine Familie nur wenige hundert Meter entfernt und doch unerreichbar.

"Sechs Monate lang haben wir nur Gras und Blätter von Bäumen gegessen."
Sulaiman Tadmory, NDR-Journalist, geflüchtet aus Syrien

Die Stadt, die als Protesthochburg gilt, wird in den folgenden Monaten und Jahren zum Ziel massiver Angriffe der syrischen Armee und der syrischen Geheimdienste.

Sulaiman dokumentiert das Grauen

Mit seiner Kamera hält er während der zweijährigen Belagerung von Homs alles fest. Er will der Welt zeigen, was in Syrien passiert. Aus dem Material entsteht später der Dokumentarfilm "Homs und ich", in dem Sulaimans Tagebucheinträge vom Schauspieler Tom Schilling nachgesprochen werden.

"Letzte Woche habe ich mir eine Pistole besorgt. Lieber sterbe ich durch meine eigene Kugel, als durch Assads Truppen zu Tode gefoltert zu werden."
Sulaiman Tadmory in der Doku "Homs und ich" über die Zeit während der Belagerung der Stadt

Irgendwann habe er sich an den Gedanken gewöhnt, dass er während der Belagerung sterben könnte, hat uns Sulaiman erzählt. In diesem Moment habe er einen Entschluss gefasst – und sich eine Pistole besorgt. In dem Film heißt es an einer Stelle: "Lieber sterbe ich durch meine eigene Kugel, als durch Assads Truppen zu Tode gefoltert zu werden."

Flucht nach Deutschland

Sulaiman hat Glück. 2015 gelingt ihm während eines kurzen Waffenstillstands die Flucht aus Homs. Die meisten seiner Freunde schaffen es nicht. Sie sind inzwischen tot, erzählt Sulaiman. Über die Türkei landet Sulaiman in Deutschland. "Wir schaffen das", sagt die Kanzlerin in der Flüchtlingskrise.

"Ich denke jeden Tag an diesen Satz von Frau Merkel: 'Wir schaffen das' – dieses Bild ist immer in meinem Kopf."
Sulaiman Tadmory, NDR-Journalist, geflüchtet aus Syrien

Aber das Land scheint gespalten: Wie soll es umgehen mit den Geflüchteten? Heute lebt Sulaiman Tadmory in Hamburg. Er absolvierte ein journalistisches Volontariat beim NDR und arbeitet dort als Reporter.

Im Gespräch mit Sebastian Sonntag berichtet Sulaiman Tadmory über die Schrecken des Syrien-Krieges, die tägliche Suche nach Essen, den wortwörtlichen Überlebenskampf – und wie ihn viele seiner Freunde verloren. Er erzählt von seiner Flucht in die Türkei, wie er nach Deutschland kam, und er spricht über das Thema Integration. Dazu sagt Sulaiman Tadmory: "Ich glaube, ich habe mich sehr gut integriert. Ich fühle mich zu Hause in Deutschland."

"Ich fühle mich zu Hause in Deutschland."
Sulaiman Tadmory, NDR-Journalist, geflüchtet aus Syrien
Shownotes
Geflüchtet aus Syrien
Sulaiman Tadmory: "Lieber sterbe ich durch meine Kugel"
vom 16. Mai 2021
Moderation: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Sulaiman Tadmory, NDR-Journalist, geflüchtet aus Syrien