Seit über 10 Jahren herrscht in Syrien Krieg. Hunderttausende haben ihr
Leben verloren, Millionen Menschen sind auf der Flucht, leben in Armut oder leiden Hunger. Auch wir in Deutschland müssten eine mutigere Außenpolitik machen, sagt Ex-Korrespondentin Kristin Helberg und erzählt von ihrer Zeit in Damaskus.
Rund 880.000 Syrer leben in Deutschland. Sie sind die zweitgrößte Migrantengruppe hierzulande - schon allein aus diesem Grund könnten wir es uns nicht leisten, über den Krieg in Syrien hinwegzusehen, sagt Kristin Helberg. Und die Journalistin weiß, wovon sie spricht. Sieben Jahre lang hat sie als freie Korrespondentin aus Damaskus über die Region berichtet, und sie hat ein Buch zu dem Thema geschrieben: "Der Syrien-Krieg. Lösung eines Weltkonflikts" heißt es.
"Wir können es uns nicht leisten, über diesen Krieg nicht zu sprechen."
Bis heute ist die Situation für die Menschen im Land hart. Mehr als die Hälfte der syrischen Bevölkerung hat laut Malteser International nicht genug zu Essen. "In der Provinz Idlib leben vier Millionen Zivilisten unter unerträglichen Bedingungen", sagt Kristin Helberg. Bis heute gebe es neben den Kampfhandlungen auch unvermindert Kriegsverbrechen, obwohl diese bereits dokumentiert seien und Prozesse geführt wurden.
"Für die Menschen im Land ist es immer noch ein Krieg und es fühlt sich auch so an."
Dabei sei der Krieg in Syrien eigentlich ein Weltkonflikt, sagt Kristin Helberg: Die Tükei, Saudi-Arabien und Katar waren die Finanziers der bewaffneten Gruppen zu Anfang der Aufstände, so die Expertin. Ab 2015 dann habe Putin das Regime in Syrien massiv mit seiner Luftwaffe unterstützt und so "Assad eigentlich gerettet".
Syrien ist dreigeteilt
Heute ist Syrien quasi dreigeteilt: Die Kurden kontrollieren den Nordosten, die Region Idlib im Nordwesten wird von der dschihadistischen Gruppe HTS dominiert, das restliche Gebiet hält Präsident Bashar al-Assad.
"Man könnte deutlich mutiger sein. Aber wir machen keine mutige Außenpolitik in Deutschland"
Gerade was das Kurdengebiet angeht, wünscht sich Kristin Helberg ein mutigeres Vorgehen der Europäer - auch von Deutschland, das außenpolitisch ihrer Meinung nach zu zögerlich agiert, vor allem um den
türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan nicht zu verärgern.
Sieben Jahre in Damaskus
Damaskus klang für sie schon immer "so verheißungsvoll" - obwohl ihr klar war, dass das Experiment Syrien auch schief gehen könnte. Sie hat ein Jahr lang Arabisch gelernt und über ihren Arabischlehrer Kontakte im Land geknüpft - und so wurden ihr gleich zu Beginn einige Türen geöffnet, wie sie erzählt.
"Damals war das Leben in Damaskus ganz wunderbar, was die Menschen angeht. Ich fühlte mich willkommen. Man wird nicht allein gelassen."
Niemand will die deutsche Journalistin akkreditieren
Doch journalistisch war die Arbeit natürlich oft extrem kompliziert. Kristin Helberg musste sich an Beschattung und Bespitzelung gewöhnen. Und bis sie endlich ihren syrischen Presseausweis in Händen hielt, habe sie "eine Menge Tee getrunken". Denn keiner wollte die Korrespondentin aus Deutschland akkreditieren. Nach drei Jahren habe schließlich ein scheidender Informationsminister das Papier unterzeichnet.
"Das schlimmste, was mir passieren konnte, war ausgewiesen zu werden. Ich hatte zu keiner Zeit Angst, dass man mich verhaftet oder in ein Foltergefägnis sperrt."
2008 allerdings wurde Kristin Helberg dann aus Syrien ausgewiesen: Einer ihrer Beiträge verärgerte die Machthabenden. Niemand wollte mehr mit ihr sprechen. Sie musste das Land verlassen, für sie eine sehr dramatische Situation.
2021 war die Journalistin zum letzten Mal im Land, in der autonomen Provinz im Nordosten, wohin sie auch bald wieder reisen will. Dort kann sie noch arbeiten und berichten. Bis heute liegt ihr das Schicksal ihrer alten Heimat Syrien am Herz.
Noch mehr über Missverständnisse, Krisen, Hindernisse und große Themen aus ihrer Zeit als Syrien-Korrespondentin, und wie sie die Chancen für einen Neuanfang im Land bewertet, hört ihr im ganzen Gespräch mit Kristin Helberg.