Im Februar 1963 wird in West-Berlin am Theater am Kurfürstendamm das Stück "Der Stellvertreter" von Rolf Hochhuth uraufgeführt. Es geht um die Rolle des Papstes bei den NS-Verbrechen an den Juden.

Die Reaktionen des Publikums auf das Stück sind teilweise verstörend: Von stillem Nachdenken bis zu Handgreiflichkeiten ist alles dabei. Der Stoff, den der bis dahin relativ unbekannte Dramatiker auf die Bühne bringt, hat es in sich. Was hat Papst Pius XII. vom Holocaust gewusst, hätte er durch energisches Eintreten verhindern können, dass Millionen Juden ermordet wurden? Mehr noch: Bevor er Papst wurde, lebte der frühere Bischof Eugenio Pacelli einige Jahre ein Deutschland. Hat ihn diese Zeit so stark geprägt, dass er dem Deutschen Reich gegenüber voreingenommen war?

Theaterstück beeinflusst Debatten über die NS-Zeit

Das ist starker Tobak und beeinflusst die Debatte über den Nationalsozialismus, den Holocaust und die Rolle der damals älteren Generation. Bis 1975 gibt es mehr als 7.500 schriftliche Reaktionen auf das Theaterstück, am Broadway wird "Der Stellvertreter" mit großem Erfolg mehr als dreihundertmal aufgeführt.

1963 beginnen in Frankfurt auch die "Auschwitz-Prozesse". Es ist ein Teil der juristischen Aufarbeitung der Verbrechen, die die Nationalsozialisten verübt haben.

Das Theaterstück und die Prozesse beeinflussen Debatten, die noch Jahrzehnte andauern werden und haben somit auch Einfluss auf weitere politische und gesellschaftliche Ereignisse: etwa auf die Studentenproteste Ende der 60er Jahre. 1969 wird der während der NS-Zeit exilierte Sozialdemokrat Willy Brandt Bundeskanzler. Und schließlich führen die Debatten zum sogenannten Historikerstreit, bei dem Mitte der 1980er Jahre über die Singularität des Holocaust gestritten wird.

2023 wird das Stück "Der Stellvertreter" am "Berliner Ensemble" zum 60. Jahrestag der Uraufführung erneut gespielt.

In dieser Eine Stunde History hört ihr:

  • Die Hochhuth-Biografin Birgit Lahann beschreibt den Dramatiker, der seine Karriere als Lektor bei einem großen deutschen Verlagshaus begonnen hat.
  • Der Theologe Klaus Kühlwein trägt zusammen, was über Papst Pius XII. und seine Zeit als päpstlicher Nuntius in Deutschland bekannt ist.
  • Der Historiker Thomas Brechenmacher ordnet die Diskussion um den "Stellvertreter" in die damalige gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik ein.
  • Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld beschreibt die Diskussionen um die jüngste deutsche Vergangenheit vor der Veröffentlichung des "Stellvertreters".
  • Deutschlandfunk Nova-Reporterin Anna Wissmüller erinnert an eine Aufführung des Stücks in Basel.

Unser Photo zeigt Szenen aus der Aufführung von "Der Stellvertreter" aus dem Jahr 2018 im Schlosspark Theater in Berlin.

Shownotes
Theaterstück von 1963
Der Papst und der Holocaust
vom 17. Februar 2023
Moderatorin: 
Meike Rosenplänter
  • Die Hochhuth-Biografin Birgit Lahann beschreibt den Dramatiker, der seine Karriere als Lektor bei einem großen deutschen Verlagshaus begonnen hat.
  • Der Theologe Klaus Kühlwein trägt zusammen, was über Papst Pius XII. und seine Zeit als päpstlicher Nuntius in Deutschland bekannt ist.
  • Der Historiker Thomas Brechenmacher ordnet die Diskussion um den "Stellvertreter" in die damalige gesellschaftliche Situation in der Bundesrepublik ein.