Der neue Bundestag ist vielfältiger: mehr Frauen, mehr Menschen mit Migrationshintergrund und zwei transidente Abgeordnete. Eine von ihnen ist Tessa Ganserer.
Anfang 2019 gab es einen großen Wendepunkt im Leben von Tessa Ganserer. Sie entschloss sich, ihre Transidentität sichtbar zu machen. Zuvor hatte sie mit der bayerischen Landtagspräsidentin Ilse Aigner darüber gesprochen.
Die Landtagspräsidentin Ilse Aigner verkündete daraufhin, dass "das Mitglied des Landtags Ganserer als Frau in Erscheinung treten will" und persönliche Diffamierungen von den Kolleginnen und Kollegen im Landtag keinen Platz hätten.
"Nachdem ich mich endlich selbst akzeptiert habe, war es ein ewig langer Schritt mich zu outen, weil ich einfach vor dem, was dann alles kommt wahnsinnig Angst hatte."
Der Bundestagsabgeordneten wäre es wichtig, dass ihre amtlichen Dokumente zu ihrer Identität passen, was bisher nicht der Fall ist.
Um auch ihren Pass ändern zu können, ist allerdings eine Prozedur nach Transsexuellengesetz nötig, die Tessa Ganserer nicht über sich ergehen lassen möchte.
Transsexuellengesetz durch Selbstbestimmungsgesetz ersetzen
Dass Amtsgerichte und Gutachter über ihre Identität entscheiden müssen, empfindet Tessa Ganserer als unsinnig, weil Gutachterinnen und Gutachter ohnehin nur das auswerten, was eine Person selbst über sich äußert.
Zudem ist Tessa Ganserers Trans-Identität bereits seit Jahren auch in der Öffentlichkeit bekannt.
Im Bundestag möchte sich Tessa Ganserer – wie auch ihre transidente Kollegin Nyke Slawik (Bündnis 90/ Die Grünen) – dafür einsetzen, dass das Transsexuellengesetz durch ein Selbstbestimmungsgesetz ersetzt wird.
"Ich habe offensichtlich diese gesellschaftliche Transfeindlichkeit so sehr verinnerlicht, dass ich mich jahrelang wahnsinnig schwer getan hab, mich selbst zu akzeptieren."
Tessa Ganserer ist 44, studierte Forstwirtschaftlerin und für die Grünen aus Nürnberg-Nord in Bayern im Bundestag – also keine politische Newcomerin.
Sie saß bereits seit 2012 für die Grünen im Bayerischen Landtag, hat sich dort aber vor allem um Verkehrspolitik gekümmert, was sie auch im Deutschen Bundestag weiterhin tun will. Unter anderem möchte sie sich für Städte einsetzen, in denen Autos keine so große Rolle mehr spielen und es mehr Platz für Radfahrer*innen und Kinder gibt.
Jugend ohne "safe spaces"
Aufgewachsen ist Tessa Ganserer im Bayerischen Wald. Sie hat eine Kindheit und Jugend erlebt, in der es für Transsexuelle keine "safe spaces" gab, fasst Paul Vorreiter, unser Reporter aus dem Hauptstadtstudio, der mit Tessa Ganserer gesprochen hat, ihre Jugenderfahrungen zusammen.
Später ist sie dann nach Nürnberg gezogen und hat dort mit Frau und Kindern eine Familie gegründet. Bis zu ihrem Coming-out habe es lange gedauert.
Bis heute erhält sie positive Zuschriften von Menschen, die sie unterstützen, aber genauso auch negative Reaktionen in der Öffentlichkeit, wenn Passanten ihr beispielsweise Beleidigungen hinterherrufen.
Besonders in den sozialen Medien überwiegen Hass und Häme. Was die Bundestagsabgeordnete als justiziabel einordnet, bringt sie konsequent auch zur Anzeige.
Akzeptanz lässt sich nicht per Beschluss umsetzen
Tessa Ganserer möchte erreichen, dass Artikel 3 des Grundgesetzes um die sexuelle Identität ausgeweitet wird. Aber in ihrer Tätigkeit als Bundestagsabgeordnete geht es ihr nicht nur darum, Gesetzesänderungen voranzutreiben.
Sie wünscht sich beispielsweise mehr Aufklärungsarbeit und eine dauerhafte Finanzierung von queeren Strukturen. Allerdings weiß die Abgeordnete auch, dass sich Akzeptanz nicht per Beschluss umsetzen lässt. Daher geht Tessa Ganserer davon aus, dass sie noch ein weiten politischen Weg vor sich hat.