Was tun, wenn eine Freundin oder ein Freund ständig traurig wirkt, trinkt oder sich zurückzieht? Facharzt Bastian Willenborg erklärt, wie wir Hilfe ansprechen, unterstützen – und dabei unsere eigenen Grenzen schützen.
Manchmal passiert der Prozess schleichend, manchmal ziemlich plötzlich: Eine Freundin oder ein Freund zieht sich stark zurück, verändert sich oder weint auffallend viel. Und wir spüren, dass bei ihr oder ihm etwas nicht stimmt. Wir wollen es nicht ignorieren, sondern helfen – wir wollen dabei aber auch nicht übergriffig sein. Wie gehen wir das am besten an?
Bastian Willenborg ist Facharzt für Psychosomatische Medizin, Psychiatrie und Psychotherapie. Er empfiehlt, zunächst zu schauen, wie lange das Tief schon besteht und ob es gerade einen konkreten Auslöser gibt, zum Beispiel eine Trennung oder ein anderes belastendes Ereignis. Gleichzeitig dürfen wir unsere Freund*innen aufmerksam beobachten, gerade wenn jemand ohne zunächst erkennbaren Grund sehr stark abstürzt.
Ansprechen, aber wie?
Wir dürfen also auf unser Gefühl hören und eine Freundin oder einen Freund ansprechen, sagt Bastian Willenborg. Am besten benutzen wir Ich-Botschaften wie: Ich mache mir Sorgen. Ich habe gemerkt, dass du dich verändert hast.
"Ansprechen ist immer gut, vor allem mit dem Hinweis, dass wir uns Sorgen machen und unterstützen möchten."
Doch was, wenn die Person alles abstreitet? "Dann respektiert man die Grenze", sagt Bastian Willenborg. "Gleichzeitig darf man seine Zweifel bekräftigen: Ich glaube dir das noch nicht ganz, aber es ist okay, wenn wir heute nicht drüber reden. Mir ist wichtig, dass du weißt: Ich mache mir Sorgen, ich bin da, und ich werde es noch mal ansprechen."
Allerdings eigent sich nicht jede Situation für ein solches Gespräch, gibt der Psychotherapeut zu bedenken. Direkt nach Feierabend, wenn jemand erstmal runterkommen will, ist es eher schwierig. Bastian Willenborg rät dazu, einen passenden Moment abzuwarten.
"Idealerweise finden wir für das Gespräch einen Moment, in dem genug Zeit und Ruhe ist und das Gegenüber sich sicher fühlt."
Unterstützung hat übrigens viele Gesichter, sagt Bastian Willenborg. Manchmal besteht sie darin, profesionelle Hilfe zu organisieren, also Therapeut*innen oder Ärzt*innen zu suchen. Oder sogar: zum ersten Termin mitzukommen. "Ich finde das völlig in Ordnung. Bei mir dürfen Begleitpersonen gerne dabei sein", sagt Bastian Willenborg.
Unterstützung reicht von Zuhören bis Kinobesuch
Doch es muss nicht immer so weit gehen. Bastian Willenborg rät, die Freundin oder den Freund direkt zu fragen: Was brauchst du gerade? Manche wünschen sich, über das Problem zu sprechen, andere wollen lieber, dass das Leben weiterläuft. Dann bedeutet Unterstützung, gemeinsam ins Kino, zum Sport oder in den Club zu gehen. "Beides ist okay", sagt der Therapeut.
Eigene Grenzen ernst nehmen
Nicht zuletzt sollte derjenige, der Hilfe anbietet auch auf sich selbst achten. Welche Form der Unterstützung kann ich geben, welche will ich geben? "Es ist mehr als in Ordnung, die eigenen Grenzen klarzumachen“, betont Bastian Willenborg. Gerade wenn die betroffene Person noch keine therapeutische Hilfe hat, können Freundschaften durch so eine Situation auch überfordert werden.
"Es ist völlig okay zu sagen: Ich bin für dich da, aber ich kann das nicht allein stemmen. Ich helfe dir, professionelle Unterstützung zu finden."
Oder wie Bastian Willenborg es zusammenfasst: "Du reparierst ja auch nicht das Autos deiner Freunde, wenn du kein Mechatronikerin bist." Bei psychischen Erkrankungen gelte dasselbe: Dafür gibt es Fachleute. "Aber als Freund oder Freundin können wir entscheidend dazu beitragen, dass jemand den Weg dahin findet."
