Juri Durkot ist Publizist und lebt in Lemberg in der Westukrain. Die Germanistin Olesia Leschenko stammt aus Donezk im Osten der Ukraine. Beide erleben die Revolution und die Umbrüche in der Ukraine auf unterschiedliche Art und Weise. Was sie teilen? Die Angst vor einem Krieg auf der Krimhalbinsel.
Olesia Leschenko ist Germanistin und arbeitet an der Universität in Donezk. Sie sagt, die schlichte Unterteilung der Ukraine - der Osten gilt als pro-russisch und der Westen als europäisch - hat nichts mit der Realität zu tun.
"Wir sind nicht gegen Europa und wir sind nicht blind für Russland hier im Osten."
Zunächst hatte Olesia Leschenko gehofft, die Ereignisse der vergangenen Monate könnten zur Stärkung der Zivilgesellschaft beitragen. Sogar eine Annäherung zwischen dem Osten und dem Westen des Landes konnte sie sich vorstellen. Die aktuelle Entwicklung im Krimkonflikt ist für sie sehr besorgniserregend.
Der Blick aus Westen
Juri Durkot ist Journalist und Übersetzer. Er hat in Lemberg und in Wien studiert. In den 1990er Jahren arbeitete er als Pressesprecher für die ukrainische Botschaft in Deutschland. Heute lebt Juri Durkot wieder in Lemberg. Historisch gesehen, gebe es große regionale Unterschiede in der Ukraine, sagt Juri Durkot. Im Osten und in den Städten werde überwiegend russisch gesprochen. Im Westen sprechen die Menschen eher ukrainisch. Dann sind da noch die religiösen Unterschiede: Der Osten ist überwiegend orthodox - wie in Russland. Im Westen leben viele auch Menschen, die der griechisch-katholischen Kirche angehören. Trotzdem könne man nicht von einer Spaltung der Ukraine sprechen, sagt Juri Durkot.
"Alle haben Angst, dass die Situation eskaliert, dass die russische Präsenz immer größer wird. Putin ist größenwahnsinnig geworden, die Situation ist absurd. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass die Krim das Problem werden könnte."
Dann räumt Juri Durkot noch mit einer Idee auf, die vor allem viele Westeuropäer von der Situation in der Ukraine haben. Die Studenten, die die Protestwelle ins Leben gerufen haben, seien unpolitisch gewesen und hätten sich selbst nicht als Unterstützer der Opposition verstanden:
"Sie waren im Grunde gegen das unwürdige Leben unter einem Tyrannen und waren deshalb viel radikaler und viel weiter als die Opposition."
Die Zukunft des Landes
Julija Timoschenko wolle niemand an der Spitze des Landes sehen. Sie verkörpert die alte politische Linie der vergangenen Jahrzehnte. Auf dem Maidan-Platz sei sie von den Demonstranten auch ausgebuht worden. Vitali Klitschkos größtes Problem, sei dessen politische Unerfahrenheit.
"Die Studenten wollten nicht nur einen Machtwechsel, sondern einen kompletten Systemwechsel. Es geht um die allumfassende Korruption der Behörden und der Ämter, um die Korruption der Staatsanwaltschaft, der Finanzämter, der Gerichte"