Eine aktuelle Umfrage zeigt bei jungen Männern in Deutschland ein teils stark traditionelles Rollenbild bis hin zur Akzeptanz von Gewalt in der Partnerschaft. An der Umfrage wie auch an der Berichterstattung darüber gibt es Kritik.

Aber erst Mal von vorne: In Auftrag gegeben hat die Untersuchung die internationale Hilfsorganisation Plan International. Im März 2023 nahmen dafür 1.000 Männer sowie 1.000 Frauen im Alter von 18 bis 35 Jahren an der ­Befragung teil. Sie kamen aus ganz Deutschland.

In der Online-Umfrage ging es um unterschiedliche Themenbereiche: Gesundheit und Gefühle, das eigene Erscheinungsbild, um die Rollenverteilung in heterosexuellen Beziehungen, um Einstellungen zu Frauen und Sexualität sowie zu Gewalt in der Partnerschaft.

Von den insgesamt 2.000 Teilnehmenden flossen in die Auswertung die Aussagen von 949 Frauen sowie von 947 Männern ein. Die weiteren Fragebögen waren fehlerhaft, heißt es in der Umfrage. Diese ist auf der Webseite der Organisation abrufbar.

Umfrage legt eine teilweise Akzeptanz von Gewalt nahe

Insbesondere beim Thema Gewalt gab es teils verstörende Antworten. "Jeder dritte Mann in der Befragung sagt, dass er Frauen gegenüber schon mal handgreiflich wird, um ihnen 'Respekt einzuflößen'", so Jakob Vogel aus unserer Nachrichtenredaktion. Jeder Dritte sagt auch, dass es akzeptabel sei, wenn ihm bei einem Streit mit der Freundin gelegentlich "die Hand ausrutscht".

"Mehr als ein Drittel der befragten Männer (34 Prozent) gibt an, dass sie gegenüber Frauen schon mal handgreiflich werden, um ihnen Respekt einzuflößen."
Ergebnis der Umfrage "Spannungsfeld Männlichkeit" der Hilfsorganisation Plan International

Insgesamt zeigen die Umfrage-Ergebnisse ein in Teilen stark traditionelles Rollenbild der befragten Männer. 49 Prozent der befragten Männer gaben an, dass sie es wichtig finden, in der Beziehung oder Ehe das letzte Wort bei Entscheidungen zu haben. 52 Prozent sehen ihre Rolle darin, im Beruf genug Geld zu verdienen; für die Hausarbeit sei vor allem die Partnerin zuständig.

Auch möchten laut Umfrage 39 Prozent der Befragten, dass ihre Partnerin die eigenen Ansprüche zurückstellt, um ihnen den Rücken freizuhalten. Das deckt sich mit einer weiteren Aussage: Nur 41 Prozent der befragten Männer würden länger als ein paar Wochen in Elternzeit gehen.

Auch bei Sexualität teils stark traditionelles Rollenverständnis unter den Befragten

Beim Thema Sexualität zeigt die Umfrage ebenfalls zum Teil stark traditionelle männliche Ansichten. "Die Hälfte der Männer will keine Beziehung mit einer Frau eingehen, die schon viele Sexualpartner hatte", sagt Jakob Vogel. Gleichzeitig "reizt" es 37 Prozent der Befragten, mit so vielen Frauen wie möglich zu schlafen.

Fragen zu Homosexualität zeigen laut Umfrage, dass sich fast jeder zweite Befragte gestört fühlt, "wenn Männer ihr Schwulsein in der Öffentlichkeit zeigen", so unser Reporter. Rund 42 Prozent der Befragten gaben an, dass ein Mann, der auf sie "verweichlicht oder feminin wirkt", schon einmal einen Spruch von ihnen abkriegt.

Verpönte Gefühle, zugleich Traurigkeit

In der Umfrage ging es auch um Gefühle. Rund 51 Prozent der Befragten sind demnach der Überzeugung, sie seien schwach und angreifbar, wenn sie Gefühle zeigten. 63 Prozent stimmten der Aussage zu, dass sie sich oft mit anderen messen und sich anstrengen würden, um unter den Besten zu sein. Zugleich gaben 63 Prozent an, dass sie sich in ihrem Inneren manchmal traurig, einsam oder isoliert fühlen.

"Jede Vierte (25 Prozent) fordert deshalb von Männern den Verzicht auf (Macht­)Privilegien."

Die Erwartungen der befragten Frauen an Männer unterscheiden sich teils stark vom männlichen Selbstverständnis, das sich in der Umfrage abzeichnet: In der Befragung finden 77 Prozent, dass Männer inzwischen schon wissen sollten, welches Verhalten in Sachen Gleichberechtigung von ihnen erwartet wird. 25 Prozent fordern, dass Männer auf ihre "(Macht-)Privilegien" verzichten sollten.

Kritik an Männlichkeits-Umfrage und Berichterstattung darüber

Über die Umfrage und ihre Ergebnisse wurde viel diskutiert. Unter anderem gab es Kritik an einzelnen Medien, die nicht von Umfrage, sondern vielfach von Studie sprachen. Außerdem wurden Zahlen aus der Umfrage veröffentlicht , bevor diese komplett einsehbar war. Das heißt, die Medien berichteten, ohne sich die Umfrage und die Methodik überhaupt genauer angesehen zu haben.

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Das ist aber wichtig – zum Beispiel um einschätzen zu können, ob eine Untersuchung wirklich repräsentativ ist, wie von dieser in einigen Medien behauptet wurde. Diese ist es nicht, jedenfalls nicht in Gänze, sagt Kathrin Kühn, Expertin für Umfragen und Studien und Wissenschaftsredakteurin beim Deutschlandfunk:

Kathrin Kühn, Wissenschaftsredakteurin beim Deutschlandfunk, erklärt die Kritik an und die Hintegrründe zu der diskutierten Umfrage:
"Repräsentativität ist ein ziemlich großes Wort. (...) Man muss aber genau schauen, was für eine Repräsentativität gemeint ist!"

Es war eine Online-Umfrage, erklärt sie. Sie war repräsentativ fürs Alter, die grobe-Wohnregion innerhalb Deutschland (Nord, Süd, West, Ost) und den Bildungsabschluss, aber nicht für alle Milieus, also alle Bevölkerungsgruppen und Einstellungen. Und das heißt dann eben: nicht für alle jüngeren Männer in Deutschland. Solche Einordnungen sind aber wichtig, damit die Aussagekraft der Ergebnisse richtig eingeschätzt werden kann.

Kritisiert wurde auch, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind. Online-Befragungen sind per se schwierig in der Umsetzung. Wichtig zu wissen ist auch, dass die Teilnehmenden in diesem Fall fürs Antworten auch etwas Geld bekommen haben.

Nun erhalten die Ergebnisse dieser Online-Umfrage viel mediale Öffentlichkeit. Kritiker*innen finden das schwierig. Denn Studien zu Männlichkeit und Gewalt zeichnen teils ein anderes Bild. Gewalt an Frauen ist aber ein reales Problem. Der Wirbel um die Untersuchung lenkt davon möglicherweise leider ab.

Shownotes
Bild von Männlichkeit
Wirbel um Umfrage: Ein Drittel der Männer findet Gewalt an Frauen "akzeptabel"
vom 12. Juni 2023
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Jakob Vogel, Deutschlandfunk Nova