Fast sechs Millionen Tonnen Plastikmüll produzieren wir in Deutschland pro Jahr. Der löst sich aber leider nicht in Luft auf. Einen Teil verbrennen wir hier bei uns, einen anderen verschicken wir: in die Niederlande, die Schweiz, die Türkei – und nach Asien. Der Anteil, der nach Asien geht, ist 2023 massiv angestiegen. Warum?

Laut einer Berechnung des Bundesverbandes der Deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) ist der Anteil an Plastikmüll, den Deutschland 2023 in asiatische Länder wie Indonesien, Malaysia oder Vietnam verschifft hat (etwa 158.000 Tonnen), um fast die Hälfte gestiegen (ein Plus von circa 51.000 Tonnen im Vergleich zu 2022). Der BDE vertritt zum Beispiel Entsorgungs- und Recyclingunternehmen oder Hersteller von Abfallfahrzeugen.

Der plötzliche Anstieg kann zum Beispiel an Marktverschiebungen liegen, berichtet Anna Katharina Küsters aus dem Deutschlandfunk-Nova-Team. Die (vor allem wirtschaftlichen) Bedingungen für Müllverarbeitung könnten im genannten Zeitraum in Asien besser gewesen als anderswo: Die Energie, um den Müll weiterzuverarbeiten, kostete weniger. Die Löhne für Mitarbeitende waren geringer. Oder: Die Recycling-Infrastruktur hat sich verbessert.

Plastikmüll als Rohstoff

Die Plastikabfälle, die aus Deutschland nach Asien gehen, gelten als Rohstoffe. Und damit wir diese Rohstoffe auch mehr als nur einmal nutzen können – damit sie also im Kreislauf bleiben – werden sie in Asien recycelt.

Sie werden unter anderem zu Textilien, Straßenpollern, Bänken oder Ziegelsteinen weiterverarbeitet. Unser Bild oben zeigt eine Sammelstelle der Firma Rebricks in Indonesien, die Kunststoffabfälle wie Tüten und Lebensmittelverpackungen in Pflastersteine, Fliesen und Ziegel verwandelt.

"Die Zahlen, die wir hier besprechen, befassen sich mit Abfällen, die als Handelsgut importiert oder exportiert werden. Das ist ähnlich wie Getreide oder andere Produkte. Man handelt mit Abfällen, weil sie Rohstoffe sind."
Bernhard Schodrowski, BDE

Wiederverwertung klingt erstmal gut – trotzdem mutet es mehr als widersprüchlich an, dafür tonnenweise Müll einmal um die ganze Erde zu transportieren. Denn das erzeugt wiederum tonnenweise CO2.

Umweltverbände kritisieren asiatische Müllwirtschaft

Dazu kommt: Die staatlichen Kontrollen sind in vielen asiatischen Ländern schwächer als in Deutschland, kritisieren Umweltaktivist*innen.

  • Umweltstandards, die in Deutschland bei der Müllverarbeitung Pflicht sind, würden dort nicht eingehalten.
  • Es sei nicht klar, ob der Müll wirklich recycelt wird oder nicht doch zum Teil im Meer oder auf der Straße landet.

Bernhard Schodrowski vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft sieht das weniger kritisch. Er findet, dass sich dort gerade ein Wirtschaftszweig der circular economy entwickelt.

"Das ist mir ein Ticken zu viel Misstrauen. (…) Unsere Mitgliedsunternehmen, die im internationalen Handel tätig sind, haben Partner, deren Anlagen international konkurrenzfähig sind."
Bernhard Schodrowski, BDE

Nach Ansicht des BDE haben die asiatischen Länder gar kein Interesse daran, wertvollen Rohstoff-Müll irgendwo liegen zu lassen – sondern wollen damit Geld machen.

Wie genau das vor Ort letztlich abläuft, lässt sich allerdings schwer überprüfen.

Insgesamt geht Müllausfuhr zurück

Die gute Nachricht: Seit Jahren exportiert Deutschland insgesamt immer weniger Plastikmüll. 2023 betrug das Ausfuhrgewicht rund 685.000 Tonnen – das ist etwa halb so viel wie zehn Jahre zuvor.

"Allgemein hat Deutschland so wenig Plastikmüll exportiert wie seit 16 Jahren nicht mehr."
Anna Katharina Küsters, Deutschlandfunk Nova

Die Asien-Exporte machen laut BDE nur etwa ein Viertel aller Exporte aus – sie haben also nichts am allgemeinen Rückgang der deutschen Plastikausfuhren geändert.

Angeführt wurde die Liste der Hauptabnehmer deutscher Müllexporte 2023 von den Niederlanden (etwa 126.000 Tonnen), gefolgt von Malaysia (90.000), der Türkei (86.000), Polen (65.000), Indonesien (40.000), der Schweiz (39.000), Österreich (38.000) und Belgien (30.000).

Shownotes
Umwelt
Deutschland schickt wieder mehr Plastikmüll nach Asien
vom 14. Februar 2024
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartnerin: 
Anna Katharina Küsters, Deutschlandfunk Nova