Im Schnitt arbeiten die Deutschen 3,5 Jahre unbezahlt aufgrund von nicht erfassten Überstunden. Ein neues Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat nun entschieden, dass alle Arbeitsstunden konstant erfasst werden müssen. Wir klären, was das Urteil bedeutet.
Schon 2019 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) verfügt, dass in allen Mitgliedsstaaten Systeme eingeführt werden müssen, mit denen Arbeitszeiten erfasst werden. Diese Zeitarbeitserfassung soll objektiv, verlässlich und zugänglich sein und die Rechte von Arbeitnehmenden schützen.
Bisher haben sich gerade Arbeitgeber*innen gegen diese Systeme gewehrt und zum Teil die als modern geltende Vertrauensarbeit in ihren Unternehmen eingeführt. Das EuGH-Urteil soll aber die EU-Arbeitszeitrichtlinie stützen.
Bürger*innen vor Fremd- und Selbstausbeutung schützen
Damit hat der EuGH der Bundesregierung einen Handlungsauftrag gegeben. Bisher war in Deutschland die Erfassung von Überstunden und Sonntagsarbeit gesetzlich geregelt. Das bedeutet, jede Stunde, die mehr als die gesetzlich festgeschriebene Arbeitszeit von acht Stunden gearbeitet wurde, muss dokumentiert und bezahlt werden. Genauso Arbeitszeiten, die außerhalb der üblichen Werktage oder Tageszeiten liegen.
Neue Gesetzesgrundlage
Das neue Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BaG) sieht vor, dass nun alle Arbeitsstunden ab Stunde 0 erfasst und dokumentiert werden.
"Es ist auch eine Kontrolle für die Arbeitnehmer, die eher bisschen zu viel arbeiten, um sich selbst zu kontrollieren."
Die Umsetzung des Urteils durch die Bundesregierung ist noch offen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil von der SPD prüft aktuell eine Änderung des Arbeitszeitgesetzes. So wie es sich im Moment darstellt, wird es aber keine Ausnahmen für Arbeitgeber*innen geben, weiterhin ohne Arbeitszeiterfassung zu arbeiten. Dafür sollen Gleitzeitmodelle zum Erhalt der Flexibilität der Arbeitszeiten bleiben.
Möglichkeiten der Arbeitszeiterfassung
Arbeitsrechtlerin Kathrin Bürger bereitet es Sorge, wie viel von der Zeiterfassung dann möglicherweise in den Verantwortungsbereich der Arbeitnehmer*innen zurückfällt. Bei der Zeiterfassung gab es früher die Stechuhr. Inzwischen haben digitale Systeme, die auf PC oder Handy laufen, diese zum Teil ersetzt.
"Letztlich ist die entscheidende Frage, wie viel kann ich an die Arbeitnehmer delegieren."
Aber auch selbst geführte Exceltabellen, die am Monatsende ausgewertet werden, hält Kathrin Bürger für möglich.