Ein Drittel der US-Amerikaner besitzt eine Schusswaffe. Waffen gelten als ein Teil der Kultur. Drei Ereignisse in der Geschichte der USA, spielen dabei eine große Rolle.

Etwa die Hälfte der weißen Männer in den USA besitzt eine Waffe. Ein Viertel der Frauen und nicht-weißen Männern hat ebenfalls eine Schusswaffe. 40 Prozent der US-Bürger leben in einem Haushalt, in dem es eine Pistole oder ein Gewehr gibt. Der ARD-Korrespondent in Washington, Arthur Landwehr, wollte wissen, warum Waffen für US-Amerikaner so einen hohen Stellenwert haben. Um das herauszufinden, hat er mit Waffenbesitzern, Historikern, Wissenschaftlern und Glaubensvertretern gesprochen.

Nach vielen Gesprächen mit Menschen über ihre Liebe zu Waffen kommt Arthur Landwehr zu dem Schluss: Diese Waffenliebe hat sich bei vielen Amerikanern in ihre DNA eingebrannt. Dazu haben seiner Meinung nach drei geschichtliche Ereignisse beigetragen:

  • Die Besiedlung des amerikanischen Westens ab circa 1800
  • Der Kampf um die Unabhängigkeit von Großbritannien 1776
  • Pilgrim Fathers, die aufgrund ihrer radikalen Religionsauffassung Europa verlassen hatten und sich auch in der neuen Heimat gegen staatliche Repressionen wehren wollten.

Besiedlung des Westens

Die Siedler benötigten Waffen, um sich zu verteidigen gegen Räuber, Banditen oder Tiere. Außerdem standen sie ständig in gewaltsamen Auseinandersetzungen, weil sie den amerikanische Ureinwohnern ihr Land weggenommen hatten.

Obwohl die Besiedlung des Westens schon Jahrhunderte her ist, lebt der Mythos des Wilden Westen fort. Heute gibt es in den USA immer noch Menschen, die sehr abgelegen leben. Ihr nächster Nachbar wohnt Kilometer weit entfernt, beschreibt Arthur Landwehr die aktuelle Situation der Landbevölkerung. In vielen Fällen seien diese Menschen auf sich gestellt und müssten sich selbst helfen können.

"Vor allem ist das Gefühl da: Ich muss mich selbst verteidigen können, wenn es darauf ankommt."
Arthur Landwehr, ARD-Korrespondentin in Washington, über die Waffenliebe der US-Amerikaner

Bereits als Kinder oder Jugendliche machen US-Amerikaner und -Amerikanerinnen Erfahrungen mit Schusswaffen, wenn sie beispielsweise den Großvater bei der Jagd begleiten oder mit dem Vater mit zum Schießstand gehen. Unter den Waffenbesitzern haben im Schnitt Jungen mit 12 Jahren und Mädchen mit 17 zum ersten Mal geschossen.

Mehr Waffenbesitz im Süden als im Norden der USA

Es gibt aber nicht nur Unterschiede im Waffenbesitz zwischen Land und Stadt. Städter besitzen im Verhältnis seltener Waffen als Landbewohner. Sondern es gibt auch einen regionalen Unterschied zwischen dem Norden und dem Süden der USA. Denn im Norden besitzen nicht nur die Menschen in den Städten seltener Waffen, sondern auch die Landbevölkerung zeigt weniger Waffenliebe als diejenige im Süden. Sogar die Städter im Süden haben häufiger Waffen. Beispielsweise besitzen in Miami sehr viel mehr Menschen Waffen als in Boston.

Wehrhaftigkeit gegen die eigene Regierung

Das zweite historische Ereignis, das die Waffenliebe der Amerikaner begründet, ist der Unabhängigkeitskrieg. Aus heutiger Sicht sagen Historiker, die Siedler hätten ohne Waffen niemals die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt. Diese Erfahrung lebt fort in dem Gefühl, sich notfalls gegen seine eigene Regierung wehren zu können, erklärt Arthur Landwehr. Er hat mit dem Juristen und Waffenhistoriker Stephen Halbrooke gesprochen, der in dem Konflikt um Waffenbesitz ein Grundbedürfnis der Amerikaner angesprochen sieht: Die Wehrhaftigkeit gegen die eigene Regierung.

"Wie mächtig soll eine zentrale Regierung sein? Das ist das Herzstück des Konfliktes um Waffen. Kann mir die Regierung in Washington meine Waffe wegnehmen?"
Stephen Halbrooke, Jurist und Waffenhistoriker

In der Auseinandersetzung zwischen Staat und Individuum gehe es darum, ob der Staat das Recht hat, dem Einzelnen die Waffe zu entziehen. Denn dadurch wird die Unabhängigkeit und die Möglichkeit, Widerstand zu leisten, eingeschränkt. Das zeigt sich auch in einem Gesetz von 1941, dass der Bundesregierung verbietet, Waffen zu registrieren oder zu konfiszieren, erklärt Arthur Landwehr.

Wehrhafter Glaube rechtfertigt Waffenbesitz

Die dritte Begründung geht auf die Puritaner zurück, die in Europa der englischen Regierung wehrlos gegenüber standen und deshalb nach Amerika ausgewandert sind. Sie waren der Überzeugung, wenn sie in ihrem Glauben leben wollen, dann muss es ein wehrhafter Glaube sein, beschreibt Arthur Landwehr die Situation der Pilgrim Fathers damals. Wehrhaft bedeutete für sie, sich gegen die Regierung wehren zu können.

Vertreter dieser streng religiösen Glaubensrichtung haben an der amerikanischen Verfassung mitgearbeitet und dafür gesorgt, dass der Waffenbesitz durch die Verfassung geschützt wird und der Regierung untersagt wird, sich um religiöse Dinge zu kümmern. Diese tiefe Überzeugung eines wehrhaften Glaubens lebt beispielsweise in den evangelikalen Gemeinden fort. Denn nur mit Waffen könne Gewalt in der Welt beendet werden. Das Recht dazu werde ihnen direkt von Gott verliehen. Die Evangelikalen haben aber nicht nur in Bezug auf Waffenbesitz eine extreme Haltung. Für sie ist die Schöpfungserzählung in der Bibel ein Tatsachenbericht.

Shownotes
USA
Liebe der Amerikaner zu Waffen
vom 25. Mai 2019
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Arthur Landwehr, ARD-Korrespondent in Washington