Der Vatikan hat ein Dokument veröffentlicht, in dem er davor warnt, Gendertheorie an Schulen zu vermitteln. Michael Brinkschröder, Diplom-Theologe und Leiter des katholischen Arbeitskreises in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, kritisiert es scharf.
Die Bildungskongregation der Katholischen Kirche hat am 10. Juni 2019 den Leitfaden "Male and female he created them" veröffentlicht. Das 30-seitige Dokument gilt als Reaktion auf eine Entwicklung in einigen Ländern: der Gendertheorie in Bildungseinrichtungen.
An immer mehr Schulen wird bewusst die Akzeptanz und Gleichberechtigung von homosexuellen, intersexuellen oder Transmenschen gelehrt. Nun schießt der Vatikan scharf dagegen: Es gebe Mann und Frau, und die Familie in dieser Grundkonstellation müsse geschützt werden.
Dokument erkennt nur zwei Geschlechter an
Michael Brinkschröder, Diplom-Theologe und Leiter des katholischen Arbeitskreises in der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, sagt, dass es besonders wichtig ist, nun Stellung zu beziehen - auch für das Selbstverständnis der religiösen Mitglieder der Community.
"Zu diesem neuen Paper von der Bildungskongregation haben wir ein kritisches Statement veröffentlicht, wo wir der Kirche vorwerfen, dass sie die Menschenrechte von intersexuellen Kindern vor allen Dingen missachtet."
In dem Dokument wird unter anderem davor gewarnt, die Unterschiede zwischen Mann und Frau auszulöschen: Intersexuelle Kinder sollen zum Beispiel möglichst schnell nach ihrer Geburt einem Geschlecht zugeordnet werden.
Vatikan steht im Widerspruch zu sich selbst
Einerseits soll niemand wegen des Glaubens oder sexueller Neigungen diskriminiert werden, andererseits wird auf einem binären Geschlechtersystem beharrt: Der Vatikan begebe sich in einen Widerspruch zu seinen eigenen zentralen moralischen Vorstellungen, sagt Brinkschröder - das Dokument sei eine offensichtliche Menschenrechtsverletzung.
"Es ist eine offensichtliche Menschenrechtsverletzung, zu der der Vatikan auffordert."
In Deutschland gebe es zumindest eine breite wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gendertheorie. Das sei in Ländern wie der Slowakei, Kroatien oder Polen schon anders - da würden die Aussagen der Bildungskongregation vermutlich eins zu eins von der katholischen Kirche vor Ort übernommen, sagt der Theologe. Genauso wie die Haltung der Kirche möglicherweise von Populisten und Faschisten genutzt werden könne.
"Man muss sich klar machen: Mit wem bildet die Kirche da eine gemeinsame Front."
Ein zweites Dokument der Glaubenskongregation zum Thema steht noch aus. Michael Brinkschröder fürchtet, dass dieses noch extremer ausfallen wird.
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