In Frankreich steigt die Zahl der Infektionen mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Junge Menschen bis 25 Jahre können sich jetzt kostenlos Kondome in der Apotheke abholen. Für Deutschland eine Option?
In Frankreich gibt es seit dem 1. Januar 2023 kostenlose Kondome für alle unter 26. Für alle Minderjährigen gab es auch bisher schon kostenlose Präservative, bisher mussten sie sich die aber in Beratungsstellen oder bei der Schulkrankenschwester abholen. Nun wird das Ganze einfacher:
- Französinnen und Franzosen von 18 bis 25 müssen in der Apotheke nur ihre Krankenversicherungskarte vorzeigen und bekommen kostenlos Kondome.
- Französinnen und Franzosen unter 18 müssen in der Apotheke nur ihr Geburtsdatum nennen und werden mit Kondomen versorgt.
Für viele junge Menschen in Frankreich sind Verhütungsmittel offenbar zu teuer. Nach einer Tagung zum Thema Jugendgesundheit Anfang Dezember hatte der französische Präsident Emmanuel Macron die kostenlose Abgabe der Kondome im neuen Jahr verkündet.
"Das ist eine kleine Revolution in der Verhütung. Unsere Jugendlichen können sich jetzt einfacher schützen, wenn sie sexuell aktiv sind."
Der Hintergrund ist ernst: Frankreich hat gerade ein Problem mit sexuell übertragbaren Krankheiten – die Infektionen haben in diesem Bereich deutlich zugenommen: Laut dem Forschungszentrum Insitut Pasteur haben sich 2020 und 2021 rund 30 Prozent mehr Menschen zum Beispiel mit Chlamydien, Hepatitis B, Herpes oder Gonorrhö angesteckt.
Mehr Infektionen mit Geschlechtskrankheiten in Frankreich
Ärzt*innen in Frankreich beobachten, dass vor allem junge Leute häufig das Kondom beim Sex weglassen – offenbar, weil sie es nicht mehr für nötig halten. Besonders beim Sex zwischen Frauen und Männern, wenn die Frau die Pille nimmt, sei das der Fall.
Dabei soll die Pille eine Schwangerschaft verhindern, nicht aber sexuell übertragbare Krankheiten. Um die Prävention zu verbessern, braucht es mehr als nur die Gratiskondome, fordern französische Beratungsstellen: Mehr Aufklärung über den korrekten Umgang mit Verhütungsmitteln sowie kostenfreie Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten.
Die HIV-Tests in Frankreich sind bereits seit einem Jahr gratis. In vielen Laboren kann man sie ohne Termin und ohne ärztliche Überweisung durchführen lassen. Die Regierung will diesen Service bald auch auf Tests für andere sexuell übertragbare Krankheiten ausweiten.
Tests bringen Sicherheit
In Deutschland wird meistens erst getestet, wenn Symptome da sind, sagt Anja Potthoff, leitende Ärztin des "Walk In Ruhr", ein Zentrums für sexuelle Gesundheit und Medizin des Katholischen Klinikums Bochum.
"Sinnvoll wäre es wirklich, vor dem Sexualverkehr zu sagen: Du bist mein neuer Partner, du hast schon mal Sex in deinem Leben gehabt, also gehen wir uns jetzt gemeinsam testen – und haben damit vielleicht auch eine gewisse Sicherheit."
Sich testen zu lassen, sei auf jeden Fall sinnvoll, sagt Anja Potthoff. Denn bei einigen sexuell übertragbaren Krankheiten bleiben die Symptome aus. Die Betroffenen merken also nicht, dass sie sich angesteckt haben, und ihre Infektion wird nicht behandelt.
Das wiederum kann gravierende gesundheitliche Folgen haben – bei Chlamydien im Zweifelsfall sogar die Unfruchtbarkeit. Außerdem kann man ohne Kondom auch weitere Personen anstecken, ohne das zu wissen.
Schwierige Datenlage in Deutschland
In Deutschland besteht für viele sexuell übertragbare Krankheiten keine Meldepflicht mehr, darunter sind auch Chlamydien und Gonokokken (Tripper) – und das, obwohl sich Menschen beim Sex am häufigsten mit diesen Erregern anstecken. Infektionen mit HIV, Syphilis sowie Hepatitis A, B und C sind aber noch meldepflichtig.
"Tendenziell nehmen sexuell übertragbare Infektionen weltweit zu."
Die offiziellen Zahlen bei HIV sind in Deutschland in den letzten zwei, drei Jahren leicht rückläufig, sagt Anja Potthoff. Bei Syphilis gebe es dagegen einen Anstieg. Weltweit gesehen nehmen sexuell übertragbare Infektionen eher zu, so die Ärztin. Genau deshalb sei es so wichtig, über sexuell übertragbare Krankheiten aufzuklären – am besten schon in der Schule.
Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP wird gefordert, dass die Krankenkassen mehr Verhütungsmittel, also zum Beispiel Kondome, als freiwillige Leistung übernehmen sollen.