In Brasilien sind im ersten Halbjahr 2020 mehr als 22.000 Menschen durch Schusswaffen getötet worden – mehr als in jedem anderen Land weltweit. Der private Waffenbesitz in Brasilien boomt. Die Waffen kommen meist aus dem Ausland. Unter anderem von der deutschen Firma Sig Sauer.
Schon vor zehn Jahren recherchierte der Dokumentarfilmer Daniel Harrich zu Waffenexporten aus Deutschland nach Brasilien. Damals ging es hauptsächlich um Waffenexporte an Spezialeinheiten beim Militär oder der Polizei.
Mittlerweile steht der private Waffenbesitz im Fokus seiner Recherche, denn der nimmt zu. Auch, weil unter Präsident Jair Bolsonaro der Waffenbesitz für Privat- und Geschäftsleute vereinfacht wurde.
"Was sich jetzt verändert hat: Der private Waffenmarkt steigt sehr an, der Waffenmarkt der Behörden wird zweitrangig."
Die Zahlen für 2020 zeigen einen klaren Trend, so Daniel Harrich: Es wurden Kleinwaffen in Rekordzahlen importiert. Ein wichtiger Waffenhersteller hierbei ist das deutsche Unternehmen Sig Sauer, berichtet er: "Sig Sauer ist eine Traditionsmarke. Der älteste Kleinwaffenhersteller Deutschlands."
"Wir sprechen 2020 von Rekordimportzahlen von Kleinwaffen nach Brasilien. Und einer der ganz großen Player dabei ist Sig Sauer."
Das Unternehmen Sig Sauer will die Waffenproduktion in Deutschland aufgeben. Dafür soll die US-Schwester im Bundesstaat New Hampshire an Bedeutung gewinnen. Waffen sollen dort produziert und exportiert werden.
Und das scheint zu laufen. Denn zwischen Januar bis Ende September wurden aus New Hampshire Kleinwaffen im Wert von knapp drei Millionen Euro nach Brasilien exportiert. "Da muss man davon ausgehen, dass Sig Sauer den ganz, ganz großen Anteil davon hat, weil es der einzige große Kleinwaffen-Hersteller in dem Bundesstaat ist", sagt Daniel Harrich.
Eine wichtige Frage ist: Wohin gehen die Waffen?
Dass Sig Sauer oder auch das deutsche Unternehmen Heckler & Koch Waffen herstellen, bewerben und verkaufen, das will Daniel Harrich nicht grundsätzlich kritisieren: Moralisch könne man das verwerflich finden, aber Produktion und Verkauf sind legal.
Doch ein Problem sieht der Dokumentarfilmer, wenn Waffenhersteller Länder beliefern, in denen es zu schweren Menschenrechtsverletzungen kommt. Und wenn, wie in Brasilien, Waffen auf dem Privatmarkt so eingesetzt werden, dass Rekordzahlen bei Morden vermeldet werden. "Da muss man sich fragen, ob juristisch nicht auch eine Mitverantwortung da ist", sagt Daniel Harrich.
Problematisch wird es, wenn man Märkte beliefert, von denen man weiß, dass es dort zu schwersten Menschenrechtsverletzungen kommt."
Ganz wird sich Sig Sauer nicht aus Deutschland verabschieden, sodass auch die hiesige Diskussion über Waffenexporte nach Brasilien nicht so einfach aufhören wird. Die Firma ebenso wie ihre Schwester in den USA gehört zu 100 Prozent der L&O Holding. Die wiederum ist ein deutsches Unternehmen. "Gewinne und Profite fließen zurück nach Deutschland", erklärt der Dokumentarfilmer. Die Debatte bleibt uns also erhalten.
Die Doku "Tödliche Exporte: Rüstungsmanager vor Gericht" von Daniel Harrich lief im April 2020 in der ARD, sie ist dort bis 1. April 2021 verfügbar.