Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen war für die Demokratie ein herber Schlag: Fast jede*r Zweite ist nicht zur Wahl gegangen. Bei dieser Wahl zeigten sich alte Muster der Nichtwähler*innen, sagt Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss.
Vor allem Jüngere und Menschen mit geringen Einkommen und niedriger Bildung würden eher Wahlen fernbleiben, erklärt Politikwissenschaftlerin Svenja Krauss. Menschen mit geringem Einkommen würden sich eher weniger politisch engagieren, weil für sie andere Dinge Vorrang hätten. Jüngeren wären eher von der Politik frustriert und engagierten sich deshalb anders politisch.
Diese niedrige Wahlbeteiligung in NRW bei der Landtagswahl am 15. Mai 2022 mit 55 Prozent kann ein Ausreißer sein. Gerade in den 10er Jahren habe die Wahlbeteiligung zugenommen, da der AfD gelungen sei, Nichtwählerschichten zu mobilisieren. Als Gegenreaktion hätten auch die anderen Parteien ihre Anhänger viel deutlicher zur Wahl aufgerufen, sodass mehr Menschen zu den Wahlen gegangen sind, erklärt Svenja Krauss.
In NRW werde die Landtagswahl von 2017 zum Vergleich herangezogen, damals lag die Wahlbeteiligung bei 65,2 Prozent, also rund 10 Prozent höher als 2022. Bei der Wahl am 15. Mai sei aber die Mobilisierung der AfD und die Gegenmobilisierung nicht mehr so gegeben gewesen. "Das ist ein wesentlicher Grund, warum jetzt die Tendenz wieder nach unten geht", sagt die Politikwissenschaftlerin.
Politik muss für Jüngere interessanter werden
Für Politiker und Politikerinnen ist es enttäuschend festzustellen, dass sie weite Teile in der Bevölkerung mit ihren Themen nicht erreichen. Bei den jüngeren Wählerinnen und Wählern würde sich aber deutliche zeigen, dass sie durchaus politisch engagiert seien und sich beispielsweise an den Demonstrationen von Fridays for Future beteiligen. Deshalb müsste sich Politiker*innen überlegen, wie sie für jüngere Menschen interessanter werden könnten.
Mehr Mitspracherecht und Nähe zu Bürger*innen könnte ein Weg sein, meint Svenja Krauss. Bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen könne man das gut beobachten. Das sei die einzige Partei mit steigenden Mitgliederzahlen und zunehmender Wählerzustimmung in der jüngeren Generation.
"Das eigentliche Problem liegt tiefer, dass die Menschen sich so ein bisschen entfremdet haben und sich nicht von von der Politik vertreten fühlen."
Den Vorschlag, auch Online-Wahlen anzubieten, um so mehr Wahlbeteiligung zu erreichen, sieht die Politikwissenschaftlerin skeptisch. Das Problem sei nicht, dass die Menschen nicht aus dem Haus gehen könnten, sondern dass sich weite Teile in der Bevölkerung nicht mehr von Politiker*innen vertreten fühlten und sich eher entfremdet hätten.