Sie stehen friedlich nebeneinander und arbeiten eng zusammen, in der Pflanzenwelt sagt man dazu Symbiose: Die Bäume versorgen die Pilze mit Kohlenhydraten, die sie per Fotosynthese herstellen. Und die Pilze geben den Bäumen im Gegenzug Stickstoffverbindungen. Dabei wollen Baum und Pilz den besten Deal abschließen.

Im Waldboden gehen Pilze und Bäume den Bund fürs Leben ein: Fadenartige Pilz-Zellen durchziehen den Boden und umwickeln die Wurzeln der Bäume mit einem engmaschigen Netz. Über dieses "soziale Netzwerk" tauschen sich Baum und Pilz aus, das heißt nicht Facebook oder Twitter, sondern Mykorrhiza.

Gewinnmaximierung

Baum und Pilz handeln aber nicht einfach 1:1: "Gibst du mir Stickstoff, geb ich dir Kohlenhydrat", sondern streben nach Gewinnmaximierung. Der Pilz will im Austausch für seinen Stickstoff, so viel Kohlenstoff wie er nur kriegen kann. Und der Baum will im Gegenzug für seinen Kohlenstoff so viel Stickstoff, wie er dem Pilz nur abluchsen kann. Wenn das nicht Kapitalismus ist! So interpretiert das zumindest der Wissenschaftler Oskar Franklin.

Marktmacht der Pilze

Ein echte Marktwirtschaft entsteht aber erst durch das Angebot und die Nachfrage mehrerer Teilnehmer. Und genauso läuft das bei der Mykorrhiza ab: Ein Baum ist gleich mit mehreren Pilzen verbunden. Herrscht Stickstoffknappheit, sind die Pilze in einer komfortablen Position, denn jetzt können sie den Preis bestimmen, und viele Kohlenhydrate verlangen. Der Baum dagegen ist in der schlechteren Position, weil er auf den Stickstoff angewiesen ist und muss den Deal akzeptieren.

Außerdem regeln die Pilze den Stickstoffgehalt im Boden, ist viel von ihm vorhanden, entziehen sie dem Boden Stickstoff und verknappen so künstlich das Angebot. Sie stabilisieren ihren Preis und halten den Baum in Abhängigkeit.

Shownotes
Ökosystem
Kapitalismus im Waldboden
vom 04. Juli 2014
Autor: 
Michael Böddeker