Warum deutsche Polizisten seltener von der Schusswaffe Gebrauch machen, als ihre amerikanischen Kollegen.

Die Rassismus-Debatte in den USA hält an. Am 9. August erschoss in Ferguson der weiße Polizist Darren Wilson den schwarzen 18-jährigen Michael Brown. Die wütenden Proteste schlugen in Gewalt um. Vorgestern wurde wieder ein Afroamerikaner von Polizisten erschossen, in St. Louis nahe Ferguson. Der 23-Jährige habe die Beamten mit einem Messer bedroht, sagte der zuständige Polizeichef.

Wir fragen uns: Wie ist das eigentlich in Deutschland? Wann darf ein Polizist in Deutschland seine Dienstwaffe benutzen? Als deutscher Polizist könne er sich in den Kollegen hineinversetzen, der von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hat, sagt André Schulz, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Auf der anderen Seite sei ihm auch bewusst, dass Beamte von Zeit zu Zeit überfordert seien. Umso wichtiger sei es, den Fall in Ruhe zu analysieren.

"Man zieht die Waffe, hauptsächlich um sich selbst zu verteidigen. Da geht einem relativ wenig durch den Kopf, weil man so gut ausgebildet ist, dass man den Ablauf mit der Waffe unterbewusst beherrscht."
André Schulz, Bundesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter

André Schulz war schon mehrfach in der Situation, dass er seine Waffe ziehen musste. Meist, um sich selbst zu verteidigen. In diesem Augenblick gehe einem Polizisten relativ wenig durch den Kopf. In der Regel seien die Polizisten so gut ausgebildet, dass sie den Umgang mit der Waffe aus dem Unterbewusstsein beherrschten. Das Nachdenken setze erst hinterher ein. Und meist herrsche Erleichterung, dass man nicht geschossen habe.

Grundsätzlich ist der Einsatz von Schusswaffen bei der Polizei in Deutschland gesetzlich geregelt: Es muss ein unmittelbarer Zwang vorliegen. Es ist genau festgelegt, wann ein Polizist einen Menschen körperlich niederringen, wann er ihn fesseln darf - und auch, wann es erlaubt ist, einen Schlagstock oder eine Schusswaffe einzusetzen.

Die Bedrohung richtig einschätzen

Ganz wichtig für den Polizisten: Die Bedrohung richtig einschätzen, sagt André Schulz: Ist die Person geistig verwirrt? Handelt es sich wirklich um eine Schusswaffe oder um eine Schreckschuss- oder Soft-Air-Waffe? Besonders schwierig wird das in der Dämmerung oder bei psychisch verwirrten Menschen.

Bleibt die Frage, warum in Deutschland seltener von der Schusswaffe Gebrauch gemacht wird, als in den USA? Das sei zum einen eine Mentalitätsfrage, erklärt André Schulz. Außerdem sei die Bedrohungslage in den USA eine andere und Polizisten seien anders ausgebildet. Die Ausbildung zum Polizisten dauere in Deutschland deutlich länger. Der Bundesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter hält sie für eine der besten der Welt.

Klar sei: Jeder deutsche Polizist wisse, was er anrichtet, wenn er schießt. Bei sich - aber auch bei seinem Gegenüber. Die meisten Polizisten, die einmal von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hätten, seien danach lange in Behandlung. Alles Gründe, die erklärten, warum deutsche Polizisten sehr selten schießen.

Shownotes
Dienstwaffen der Polizei
Lass stecken
vom 21. August 2014
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
André Schulz