Heute erscheint eine Neufassung von "Mein Kampf". Neonazis orientieren sich 2016 allerdings längst an ganz anderen Quellen.
Leider war es schon einmal ein Bestseller, nun kann man es wieder druckfrisch kaufen: Adolf Hitlers "Mein Kampf". Das Buch, das Hitler 1924 im Gefängnis geschrieben hat, und in dem seine spätere Politik angelegt war. Nach Kriegsende hatte die US-Militärregierung die Urheberrechte dem Freistaat Bayern übertragen und der hat seitdem eine Neuveröffentlichung verhindert. Aber 70 Jahre nach dem Tod des Autors erlöschen diese Rechte und deshalb konnte "Mein Kampf" jetzt neu herausgegeben werden.
Das Buch ist für Wissenschaftler sehr interessant - die rechte Szene liest 2016 allerdings etwas anderes. Das sagt zumindest Michael Sturm, der bei der mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Münster, Villa Ten Hompel, arbeitet. Seine These: Rassismus hat nach dem Zweiten Weltkrieg neue Formen angenommen, und Neonazis hätten heute andere, modernere Bezugspunkte als "Mein Kampf". So hat sich der Nationalsozialistische Untergrund vor allem mit amerikanischen Texten befasst. Michael Sturm nennt zum Beispiel die Turner-Diaries, von William Luther Pierce, ein US-amerikanischer Neonazi. Ein Roman, in dem es erst um einen Aufstand und dann um den sogenannten "Rassenkampf" in den USA geht.
"Neonazis beziehen sich heute auf Hassblogs im Internet, auf rassistische Positionen, die im Internet geäußert werden - sie müssen also nicht mehr hunderte Seite von 'Mein Kampf' durchlesen."
Außerdem gelte: Neonazis fokussieren sich 2016 nicht mehr so stark auf Adolf Hitler als Person, auch wenn die meisten immer noch stark hierarchisch strukturiert sind. So gebe es weiterhin einen Führerkult, also die Fokussierung auf Anführer. Aber die Figur Adolf Hitler hat nicht mehr so eine große Bedeutung für die Rechten, sagt Michael Sturm - anders als noch vor 20 oder 30 Jahren. Trotzdem sei der Bezug zum Nationalsozialismus für die organisierten Neonazis immer noch wichtig.
"Mein Kampf" nicht mystifizieren
Dass die kommentierte Version von "Mein Kampf" jetzt dafür sorgen wird, dass das Buch bei Rechten wieder beliebter wird, halten die meisten Beobachter für unwahrscheinlich. Der Grund: Das Buch ist nicht neu, wer wollte, fand Wege, es zu lesen.. Michael Sturm hält die Neuauflage für wichtig, um das Buch zu entmystifizieren - überwerten sollte man Hitlers Schrift aber nicht.