Djamilas Mutter ist Russin, ihr Vater Kongolese. Mit ihrem Vater und ihrem Bruder war sie diesen Sommer zum ersten Mal im Kongo. Die Psychotherapeutin Archana Golla begleitet Personen mit einer diversen Identität auf ihrem Weg. Sie kennt die Herausforderungen und die Chancen, die darin liegen.
Fast jede dritte Person in Deutschland hat laut Statistischem Bundesamt diverse Wurzeln. So ist es auch bei Djamila. Ihr Vater ist Kongolese, ihre Mutter Russin. Djamila ist in Russland geboren und die ersten sechs Jahre aufgewachsen, bevor sie nach Deutschland kam. Während sie also Russland kennt, ist sie vor Kurzem zum ersten Mal in den Kongo gereist. Vor der mehrwöchigen Reise sei sie extrem aufgeregt gewesen und habe sich erst mal jede Menge Infos eingeholt.
"Das war auf jeden Fall ziemlich überwältigend, die Kultur, die bei uns zu Hause jetzt nicht so stark im Mittelpunkt stand, dann wirklich vor Ort zu erleben."
Die Reise und die kongolesische Kultur zu erleben, die in Deutschland nicht so im Mittelpunkt stand, "das war auf jeden Fall ziemlich überwältigend", sagt Djamila. Besonders schön sei auch gewesen, dass neben ihrem Vater auch der Bruder mitgereist ist.
Djamila wäre gerne schon viel früher in den Kongo gereist, das sei jedoch – unter anderem auch aus finanziellen Gründen – lange nicht möglich gewesen. Dadurch, dass sie in Russland aufgewachsen ist, auch in Deutschland noch eine russischsprachige Schule besucht hat, war die russische Kultur immer ein Stück präsenter, sagt sie.
Im Kongo schnell Zuhause gefühlt
Jetzt aber konnten Djamila und ihr Bruder ihre Verwandten, die sie sonst nur übers Telefon kannten, persönlich kennenlernen - genauso wie Traditionen, das Essen und die Sprache. Wegen der Herzlichkeit der Menschen, hätte sie sich schnell Zuhause gefühlt. Djamila möchte auf jeden Fall noch öfter in den Kongo reisen, um das Land, die Menschen und Kultur noch besser kennenzulernen.
"Dadurch, dass ich mit unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen bin, hat man automatisch so eine Offenheit. Ich freue mich immer, wenn ich auch bei Freunden andere Traditionen oder Unterschiede entdecke."
Der Identitätsbegriff sei für Djamila mittlerweile nur noch ein Label. Kongolesisch, russisch oder deutsch – sie wolle sich gar nicht entscheiden. "Dadurch, dass ich mit unterschiedlichen Kulturen aufgewachsen bin, hat man automatisch so eine Offenheit", sagt Djamila.
Als Kind sei das noch ganz anders gewesen. "Ich bin eine schwarze Frau, wurde so als Russin nie so richtig akzeptiert", sagt sie. Und auch in ihren kongolesischen Freundesgruppen habe sie sich immer so nur halb gefühlt. Heute, als erwachsene Frau, sehe sie das anders und viel positiver.
Migrationsgeschichte als Toolbox
Die Eltern von Archana Golla kommen aus Indien und haben über Österreich den Weg nach Deutschland gefunden. Als Psychotherapeutin arbeitet sie mit Menschen, die ebenfalls eine migrantische Geschichte haben. Dadurch, dass die andere Kultur nicht täglich erlebt wird, entwickeln diese oft eine Art Sehnsucht, wenn sie an diesen anderen Teil denken, sagt sie.
Zugleich existiere auch eine Sehnsucht nach einem Zuhause und nach einem Ort, an dem die Menschen so angenommen werden, wie sie sind. Wenn sie dann spüren, dass sie irgendwie nicht ganz hineinpassen, dann sei das erst mal ein Schockmoment und verunsichernd.
"Im Grunde genommen ist es wie eine Toolbox, die die Persönlichkeit erweitern kann. Es ist definitiv ein Plus, auch wenn das erstmal vielleicht nicht so erscheint."
Eine Migrationsgeschichte habe aber durchaus Vorteile. Die Psychotherapeutin sieht darin vor allem eine Toolbox und eine Möglichkeit, die eigene Persönlichkeit zu erweitern, sagt sie. Archana Golla macht das an ihrem Beispiel fest:
Die religiöse, sprachliche und geografische Diversität in Indien führe zu einer Offenheit bei den Menschen, Dinge auch mal nicht genau zu wissen. Deutschland dagegen strebe tendenziell eher danach, Dinge möglichst konkret zu wissen. "Für mich war das ein totaler Zugewinn, dieses Indische an mir wiederzufinden, einfach Dinge auszuhalten und erst mal auch nicht zu wissen", sagt sie.
"Für mich war das ein totaler Zugewinn, dieses indische an mir sozusagen wiederzufinden, einfach Dinge auszuhalten und erst mal auch nicht zu wissen."
Wie Djamila ein Land zu bereisen, um die eigenen Wurzeln zu ergründen, das könne sehr bereichernd sein – auch, weil man sich ein Stück weit selbst dekolonialisiert, freier macht und eine eigene Meinung bekommt, so die Psychologin.
Zugleich könne das auch Arbeit bedeuten – zum Beispiel mit den eigenen Vorurteilen oder Vorannahmen konfrontiert zu werden, die durchaus enttäuscht werden könnten. Darum rät Archana Golla: "Sich auf das Land vorbereiten, dass es erst mal etwas Unbekanntes ist und nicht zu erwarten, dass es ein Happy End gibt."
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