Mit knapp 20 Milliarden Euro will die Bundesregierung ein Leitungsnetz für Wasserstoff anstoßen. Die Kosten sollen durch Entgelte zurückfließen. Über das geplante Kernnetz und den Nutzen sprechen wir mit Christian Sattler vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Die Bundesregierung will ein Wasserstoff-Leitungsnetz aufbauen. Die Pläne dafür legte Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag (14. November) vor. Das Leitungsnetz soll wichtige Standorte verbinden und mit Wasserstoff versorgen – zum Beispiel Häfen, Industriezentren oder auch Kraftwerke.

Bis 2032 soll das Kernnetz mit einer Länge von 9.700 Kilometern fertig sein – Kosten: 19,8 Milliarden Euro. Der Bund will die Summe vorstrecken und durch die Entgelte für die Nutzung dann wieder reinholen.

Das Wasserstoffnetz muss Häfen und Industriezentren verbinden

Dass wir Wasserstoff brauchen, ist klar, sagt Christian Sattler, Leiter der Abteilung Solare Verfahrenstechnik im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Ohnehin werde Wasserstoff als chemisches Element zum Beispiel zur Herstellung von Düngemittel oder Kühlmittel für Kraftwerke genutzt. Wasserstoff könne aber eben auch als Speicher sowie Produzent elektrischer Energie verwendet werden – in unterschiedlichen Industriezweigen.

Wasserstoff als Element der Energiewende

In diesem Kontext gilt Wasserstoff vielen als Hoffnungsträger der Energiewende. Denn Wasserstoff, der aus Wind- oder Solarstrom erzeugt wird, ist ein verhältnismäßig klimaneutraler Brennstoff. Vor allem soll Wasserstoff dort genutzt werden, wo erneuerbarer Strom Erdöl, Erdgas oder Kohle kaum ersetzen kann. Das gilt im Schiffs- und Flugverkehr sowie in verschiedenen Industrieprozessen.

Deshalb ist es beim Aufbau des Kernnetzes wichtig, wer angebunden wird, erklärt Christian Sattler. Die Industrie zum Beispiel nutzt bei der Stahlproduktion bereits Wasserstoff. Die Nachfrage wird steigen, ist sich der Wissenschaftler sicher. "Das heißt, hier ist ein besonders hohes CO2-Einsparpotential. Deshalb ist es wichtig, erstmal die Industrie an die Netze anzuschließen", sagt er.

Kein kompletter Neubau nötig, aber Anpassungen

Das Netz wird laut Robert Habeck nur in Teilen neu entstehen müssen, zu einem großen Teil könne das bestehende Erdgasnetz genutzt werden. Grundsätzlich ist das richtig, bestätigt Christian Sattler.

"Das Erdgasnetz kann ein Teil des Wasserstoffnetzes sein."
Christian Sattler, Leiter der Abteilung Solare Verfahrenstechnik im DLR

Die Pipelines bräuchten dann aber eine andere Beschichtung, damit der Wasserstoff nicht entweichen kann. Und "es müssen etwas andere Pumpen und Verteiler eingebaut werden", ergänzt er. Außerdem gebe es bereits Wasserstoff-Pipelines in Deutschland, die in das Netz eingebunden werden können.

Wichtig: Verbindungen in Nachbarländer

Wichtig für das geplante Kernnetz sind Verbindungen in die Nachbarländer, vor allem zu Belgien und den Niederlanden, und zu wichtigen Häfen, erklärt der Wissenschaftler weiter. Denn schätzungsweise zwei Drittel des Wasserstoffs werde Deutschland importieren müssen. "Das wird vor allem über große Häfen passieren", sagt Christian Sattler.

"Beim Wasserstoff ist das Risiko deutlich geringer, dass man von einem einzelnen Land abhängig ist."
Christian Sattler, Leiter der Abteilung Solare Verfahrenstechnik imDLR

Die hohe Importquote bedeutet, dass Deutschland bei der Energieversorgung vom Ausland abhängig bleiben wird, so wie bei Erdgas und -öl. Dennoch gibt es einen großen Unterschied, so Christian Sattler. Denn erneuerbare Energien gibt es überall auf der Welt. "Entsprechend können wir beim Wasserstoff eine sehr viel breitere partnerschaftliche Zusammenarbeit mit mehr Staaten auf der Welt haben." Damit sinkt das Risiko einer neuen Abhängigkeit bei der Energieversorgung.

Shownotes
Pläne für ein Wasserstoff-Leitungsnetz
Wasserstoff: Weniger CO2 und weniger Abhängigkeit
vom 15. November 2023
Moderator: 
Sebastian Sonntag
Gesprächspartner: 
Christian Sattler, Leiter der Abteilung Solare Verfahrenstechnik im DLR-Institut für Solarforschung