Die Bielefelder Unibibliothek greift zu drastischen Mitteln und entfernt vorübergehend 60.000 Bücher aus dem Bestand. Was eine alte Färbemethode damit zu hat.
Die Bibliothek der Uni Bielefeld hat 60.000 Bücher aus der Leihe entfernt. Sie könnten mit Arsen belastet sein. Das Halbmetall ist giftig und krebserregend. Zwischen 1800 und 1900 wurde das chemische Element – das im Periodensystem die Abkürzung As hat – verwendet, um Dinge zu veredeln.
Besonders begeistert waren Leute zu damaliger Zeit von einer Farbe, die mit Arsen hergestellt wurde: das "Schweinfurter Grün". Vielfach wurde Schweinfurter Grün verwendet, um den Einband von Büchern zu veredeln. Wie viele der 60.000 Bände aus der Bielefelder Bibliothek betroffen sind, sei unklar, schreibt die Uni in einem Statement. Vermutlich seien es weniger als zehn Prozent.
Sie bittet Studierende, Bücher nicht aus den Regalen zu nehmen ohne vorher im Katalog zu prüfen, ob sie möglicherweise gesperrt sind. Zunächst werden alle Bücher im Freihandbestand überprüft. Unbedenkliche Bücher werden zurückgebracht.
"Im 19. Jahrhundert, also etwa zwischen 1800 und 1900, dachte man, es sei eine gute Idee, mit sogenanntem "Schweinfurter Grün" etliche Dinge zu veredeln."
Deutschlandfunk-Nova-Reporter Nils Schniederjann kann nachvollziehen, weshalb es zu damaliger Zeit einen regelrechten Hype um das Schweinfurter Grün gab: "Es ist eine extrem kräftige Farbe, die selbst nach Jahrzehnten noch strahlt." Wegen der Gesundheitsgefahr ist Schweinfurter Grün in Deutschland seit 1882 verboten.
Aber nicht nur der Bucheinband wurde mit der Farbe verschönert. Auch in Illustrationen wurde Arsen verwendet. Teilweise färbten Menschen im 19. Jahrhundert den Buchschnitt – also die Seiten am Rand – ein.
Dass die Bibliothek nun vorübergehend so viele Bücher aus dem Verkehr zieht, ist nachvollziehbar, wenn man auf die Symptome einer Arsenvergiftung blickt: Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen bis hin zu inneren Blutungen, Nieren- und Kreislaufversagen. Im schlimmsten Fall kann der Tod eintreten.
Erst mal keine Panik
Doch der stellvertretende Bundesvorsitzende des Deutschen Bibliotheksverbandes, Reinhard Altenhöner, gibt Entwarnung für den Fall, dass uns zufällig ein arsenbelastetes Buch in die Hände fällt.
"Don’t panic! Ich glaube, Panikmache ist an der Stelle nicht angesagt."
Es gibt verschiedene Vorsichtsmaßnahmen, die wir im Umgang mit diesen giftigen Büchern treffen können: Auf keinen Fall sollten wir mit den Fingern auf belastete Stellen und danach an Mund oder Nase greifen. Im besten Fall sollten wir Handschuhe tragen. "Dann ist das relativ ungefährlich", sagt Reinhard Altenhöner.
Selbstverständlich ist die Bielefelder Unibib nicht die einzige, die Bücher aus dem 19. Jahrhundert im Bestand hat. Was dagegen unternommen wird, ist nicht einheitlich geregelt. Das liegt an der unterschiedlichen Größe des Buchbestands einzelner Bibliotheken. Weshalb aber die Bielefelder Bib zu so drastischen Mitteln greift, kann sich Reinhard Altenhöner nicht erklären.
Leitfaden mit Hygienevorschriften für den Verdachtsfall
Er erklärt: "Also eigentlich sind wirklich auch zahlenmäßig andere Bibliotheken deutlich mehr betroffen. Da man in aller Regel von den Bibliotheken weiß, dass sie ein Verdachtsfall sein können, halte ich eine Komplettsperre für keine gute Maßnahme."
Wie Bibliotheken mit Gefahren durch ältere Bücher umgehen können, wird in einem Leitfaden beschrieben. Darin wird zum Beispiel auf erhöhte Aufmerksamkeit und Hygienestandards bei der Benutzung gesetzt.
Eine Sperrung wie in Bielefeld wird nicht zur Regel werden, meint unser Reporter. Allerdings ist unklar, was Bibliotheken tun können, wenn sie feststellen, dass sie einen Arsenfall im Bestand haben. Der Grund: Ein Arsen-Buch kann andere Bücher kontaminieren. Einen Umgang haben Bibliotheken in den USA gefunden.
"In den USA empfehlen manche Bibliotheken, die Bücher einfach in eine Plastiktüte zu packen – zumindest kurzfristig."
Das ist in Deutschland aber nicht die Regel. "Was man natürlich tun kann, ist, die Bücher zu reinigen", sagt Reinhard Altenhöner. "Das muss aber mit Schutzvorkehrungen geschehen. Natürlich wird dabei eine Restbelastung am Buch vorhanden bleiben – das ist sicher. In sofern kann man die Bücher unter gesicherten Maßnahmen digitalisieren."
Auf Bücher des 19. Jahrhunderts wird regelmäßig zurückgegriffen. Von daher herrscht auf den Bibliotheken ein gewisser Druck, alte Bücher zu digitalisieren.