An Weihnachten geht es nicht nur um das Essen mit Familie oder Freunden, sondern für viele spielen auch Geschenke eine zentrale Rolle. Wir besprechen mit Neurowissenschaftler Henning Beck, was das Schenken und Auspacken mit uns macht.

Henning Beck erklärt, dass Erwartungen und Neugierde zentrale Faktoren sind, die unser Leben antreiben. Erwartungen können nicht erfüllt, erfüllt oder sogar übertroffen werden. Und je nachdem löst das bei uns entsprechende Gefühle aus.

"Eigentlich ist das ja eine bekloppte Idee: Etwas einzupacken, damit es ein anderer wieder auspacken kann."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Beim Schenken werden immer Erwartungshaltungen aufgebaut. Das verpackte Geschenk spielt mit dem Rätsel, was könnte sich wohl in dem Päckchen verbergen? Wir kreieren mit einem Geschenk ein Überraschungsmoment, das mal besser und mal weniger gut funktioniert. "Nicht jedem gelingt das, wir kennen das alle: Geschenke, die dann Erwartungen nicht erfüllen", sagt Henning Beck.

Das Spiel mit dem Glück

Wenn wir hingegen etwas auspacken, dass wir nicht erwartet haben, das unsere Erwartungen übertrifft, dann kann uns das höchste Gefühle bescheren, erklärt der Neurowissenschaftler: "Nur so entsteht Glück."

"Glück entsteht, wenn wir überrascht werden und mehr bekommen, als wir eigentlich erwartet hatten."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Wenn man vorher schon weiß, was in einem Paket ist, dann wirkt die Verpackung eher wie ein Hindernis, sagt Henning Beck. Wenn wir hingegen nicht wissen, was sich in einem Geschenk verbirgt, dann ist das Geschenkpapier eine Art Verzögerung auf dem Weg zum Ziel. "Diese Verzögerung sorgt dafür, dass wir diese Leerstelle mit Fantasie ausfüllen. Die Erwartungshaltung oder die Hypothese: Was mag da drin sein? Das ist eigentlich der Nährboden dafür, dass wir überglücklich werden", so Henning Beck.

Und umgekehrt: Wenn unsere Erwartungen viel zu hoch waren und wir etwas auspacken, was diese Erwartungen nicht erfüllt, dann kann das Geschenk auch für Enttäuschung sorgen.

Schenken stärkt soziale Bindungen

Schenken kann jedoch nicht nur für positive Gefühle bei denjenigen sorgen, die beschenkt werden, sondern auch bei denen, die ein Geschenk überreichen. "Es ist ein seltsames soziales Ritual und sorgt auch dafür, dass man stärkere soziale Bindungen aufbaut", sagt der Neurowissenschaftler.

Wenn wir uns überlegen, was wir anderen schenken, dann müssen wir uns in die andere Person hineinversetzen. "Ich muss überlegen: Was mag diese Person, was mag sie nicht? Das sorgt dafür, dass überhaupt soziale Bindung und Kohäsion aufgebaut werden können", erklärt Beck.

"Aus wirtschaftlichen Gründen ist Schenken eigentlich bekloppt."
Henning Beck, Neurowissenschaftler

Wirtschaftlich gesehen, mache Schenken eigentlich keinen Sinn. Denn Menschen bewerten Geschenke in der Regel immer geringer als den eigentlichen Wert, den man dafür ausgegeben hat, so Henning Beck. "Wenn man ein Geschenk für 100 Euro kauft, dann bewerten die anderen das Geschenk im Durchschnitt so mit 80 oder 90 Euro. Aber es wird überwogen von der Idee, dass sich jemand anderes sich um mich gekümmert hat", sagt Henning Beck. "Genau dieses Momentum will ich ja mit einem Geschenk transportieren."

Auch im Tierreich gibt es Geschenke, die diese Funktion der sozialen Bindung haben. Zum Beispiel schenken sich Delfine gegenseitig Nahrung. "Das kann für Delfine so ein Zeichen von Aufmerksamkeit sein oder auch um eine Delfindame herumzukriegen", so Henning Beck.

Shownotes
Neurowissenschaftler
"Aus wirtschaftlicher Sicht macht Schenken keinen Sinn"
vom 24. Dezember 2022
Moderatorin: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Henning Beck, Neurowissenschaftler