Im Rahmen der Coronavirus-Infektionen in Schlachtereien stehen Werkverträge in der Kritik, sie sollen dort verboten werden. Dabei ist das Modell stark verbreitet und nicht an sich problematisch, sagt ZEW-Forscherin Angelika Ganserer. Kritisch wird es, wenn durch die Werkverträge rechtliche Rahmenbedingungen unterlaufen werden.
Der Einsatz von Werkvertragsbeschäftigten in Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung soll ab dem kommenden Jahr verboten sein. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett am 29. Juli beschlossen.
Was aber sind Werkverträge, und warum stehen sie in der Kritik? Für grundsätzlich problematisch hält Angelika Ganserer Werkverträge nicht. Am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim beschäftigt sie sich seit Jahren mit diesem Thema.
Arbeitsteilung zwischen Unternehmen
Sie erklärt: In erster Linie ist ein Werkvertrag eine Kooperation zwischen zwei Unternehmen, mit der sie Arbeit aufteilen und vertraglich festlegen, zu welchen Bedingungen diese erfüllt werden soll. Für Unternehmen seien Werkverträge demnach ein entscheidendes Mittel zur Arbeitsteilung, sagt Angelika Ganserer.
"Grundsätzlich sind Werkverträge nicht problematisch."
Das geht dann so: Unternehmen A beauftragt Unternehmen B, ein bestimmtes "Werk" zu erledigen, zum Beispiel Schweine zu schlachten. Vertraglich halten beide Seiten fest, dass Unternehmen B dafür verantwortlich ist, die Schlachtung von etwa 20.000 Schweinen die Woche sicherzustellen. Die Organisation und Ausführung dieser Arbeit ist also Aufgabe des Werkvertragsnehmers.
Fetsgehalten wird auch, welchen Preis Unternehmen A dem Werkvertragsnehmer (Unternehmen B) für diese Tätigkeit zahlt. Ein "Werk" kann dabei fast jede Dienstleistung, Tätigkeit oder Arbeit sein, so die Forscherin.
Interessen der Beschäftigten kaum vertreten
Soweit, so unproblematisch. Kritik kommt dann auf, wenn es um die Lohn- und Arbeitsbedingungen der Werkvertragsbeschäftigten geht. Hier kann es nämlich zu deutlichen Unterschieden kommen, sagt Angelika Ganserer, zum Beispiel, was die Bindung an einen Tarifvertrag betrifft.
Bezahlt Unternehmen A seine Mitarbeitenden nach Tarifvertrag, schließt das die arbeitenden Werkvertragsbeschäftigten nicht zwangsweise mit ein. Sie können also eine Tätigkeit für Unternehmen A ausführen, ohne nach Tarif bezahlt zu werden. Dazu kann es kommen, wenn der Werkvertragsnehmer nicht tarifgebunden ist.
Angelika Ganserer nennt ein Beispiel: Eine Reinigungskraft, die in einer Metallfirma angestellt ist, wird nach Metalltarif bezahlt. Ist die Reinigungskraft bei einem externen Reinigungsdienstleister angestellt, kann sie zwar den selben Metallbetrieb reinigen, hat allerdings nicht zwingend Anspruch auf einen tarifgebundenen Lohn, weil ein externes Unternehmen sie beschäftigt.
On-Site-Werkverträge
Um solche sogenannten On-Site-Werkverträge geht es aktuell bei den Großschlachterein. "Das ist der Fall, wenn fremde Arbeitskräfte auf das eigene Firmengelände kommen", erklärt die Forscherin. Diese Art der Werkvertragsbeschäftigung gebe es bei rund 50 Prozent der Unternehmen, die an Werkvertragsnehmer auslagern. Generell würden über 90 Prozent der Firmen in Deutschland eine Form von Werkvertrag nutzen, das habe eine Umfrage des ZEW ergeben.
"Wir haben in einer Umfrage festgestellt, dass über 90 Prozent der Firmen Werkverträge in irgendeiner Form nutzen."
Viele Werkvertragsnehmer haben keine Betriebsräte
Ein weiterer Kritikpunkt an Werkverträgen, die aktuell zum Einsatz kommen, ist der Konflikt um fehlende Betriebsräte. "Werkverträge sind eine Einkaufsentscheidung des Unternehmens, keine Personalentscheidung", sagt Angelika Ganserer. Das entziehe dem Betriebsrat des auslagernden Unternehmens A den Anspruch auf Mitsprache, wenn es etwa um Urlaubsansprüche, Arbeitszeiten und andere Arbeitsbedingungen bei Werkvertragsbeschäftigten gehe.
Oft gehen Unternehmen Kooperationen mit Werkvertragsnehmern ein, die aufgrund ihrer Größe keinen Betriebsrat haben, sagt Angelika Ganserer. Das wiederum wirke sich auf die Arbeitsbedingungen der Werkvertragsbeschäftigten aus.
Grundlegende Daten für Transparenz fehlen
Was aktuell auch fehlt, ist Transparenz, sagt Angelika Ganserer: Eine Einsicht in die Werkverträge würde beispielsweise offenlegen, wie hoch die Löhne der Fremdarbeiter im Vergleich zu den Stammarbeitenden seien. "Aus Forschersicht kann man deshalb schwer Handlungsempfehlungen ableiten, weil uns hier einfach grundlegende Daten fehlen."
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