EGovernment, Serversicherheit - Estland ist in Sachen Digitalisierung ziemlich weit vorne. In einigen Bereichen übernimmt bereits eine Künstliche Intelligenz Verwaltungsaufgaben. Auch in der Justiz soll sie demnächst zum Einsatz kommen.

Ott Velsberg ist 28 Jahre alt, IT-Experte und seit Sommer 2018 dafür zuständig herauszufinden, wie Künstliche Intelligenz (KI) und maschinelles Lernen in der Regierungsarbeit eingesetzt werden können. Die estnische Regierung hat nämlich genau darüber eine Doktorarbeit bei ihm in Auftrag gegeben.

Weniger Verwaltungsausgaben durch Künstliche Intelligenz

Das Ziel ist es, die Serviceangebote für die 1,3 Millionen Bürger des Landes möglichst schlank und effektiv zu gestalten. Auch wenn das futuristisch klingt: KI in der Verwaltung ist nichts Neues in Estland. Bisher übernehmen schon an 13 Stellen Algorithmen die Aufgaben von Verwaltungsangestellten. So wurden zum Beispiel die Inspektoren für Bauernhöfe weitestgehend eingespart. Die mussten im Sommer überprüfen, ob ein Bauer Subventionen von der Regierung bekommt oder nicht. Denn das Geld gibt es nur, wenn die Wiesen ordentlich gemäht wurden. Und das beurteilt jetzt eine KI anhand von Satellitenbildern. Einsparung: 1,2 Millionen Euro.

Auch in der Schulverwaltung werden bereits Algorithmen eingesetzt: Sobald in Estland ein Kind auf die Welt kommt, wird es automatisch an der nächstgelegenen lokalen Schule angemeldet. Das heißt: keine Wartelisten, kein Klinkenputzen, um das Kind irgendwie doch noch an die gewünschte Schule zu bekommen. Möglich wird das, weil die Krankenhausdaten von der Geburt sofort mit den Schulen geteilt werden.

Danke, Euer Ehren KI!

Das laut Wired ambitionierteste Projekt findet allerdings im Justizsystem statt. Dort sollen nicht mehr Richter, sondern Algorithmen über Fälle entscheiden, deren Streitsumme unter 7000 Euro liegt. Damit soll vor allem ein Rückstau aus alten Fällen beseitigt werden. Der Plan ist, das Projekt noch dieses Jahr an den Start zu bringen. Dabei sollen sich die Algorithmen vor allem um Vertragsstreitigkeiten kümmern.

Dabei wird der KI-Richter per Upload mit allen relevanten Dokumenten und Informationen zum Fall gefüttert. Der wertet diese dann aus und fällt auf Grundlage der bestehenden Gesetze ein Urteil. Dagegen kann aber Berufung eingelegt werden - ab diesem Zeitpunkt ginge der Fall dann zu einem menschlichen Richter.

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Großes Vertrauen in die Technik

Estland ist nicht das erste Land, in dem mit einem KI-Richter experimentiert wird. Auch in den USA wird das Justizsystem in einigen Staaten bereits von Algorithmen unterstützt. Dort schlagen sie zum Beispiel ein angemessenes Strafmaß für bestimmte Kriminalfälle vor. Dass eine KI aber tatsächlich Entscheidungsgewalt hat, das wird in Estland weltweit erstmalig der Fall sein, schreibt Wired

Grundsätzlich herrscht in Estland großes Vertrauen in Technologie. Das wird so lange anhalten, bis so ein System einen krassen Fehler macht und eine völlig falsche Entscheidung trifft. So zumindest die Einschätzung von David Engstrom, Professor an der Standfort University und Experte für digitales Regieren. Denn die Entscheidung per Algorithmus ist nur so gut, wie die Daten, mit denen dieser Algorithmus gefüttert wird. Und da besteht zum Beispiel die Gefahr, dass in den Daten Vorurteile manifestiert sind - zum Beispiel gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen.

Mehr zum Thema bei Deutschlandfunk Nova:

Shownotes
Digitalisierung
KI-Richter in Estland fällt Urteile per Algorithmus
vom 27. März 2019
Moderator: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Martina Schulte, Deutschlandfunk-Nova-Netzreporterin