Wer soll das 49-Euro-Ticket bezahlen? Und wie lange? Darüber streiten Bund und Länder nach wie vor – es geht vor allem um die Mehrkosten von geschätzt einer Milliarde Euro. Neben dieser Finanzierung gibt es laut Experten weitere wichtige Aspekte der Mobilitätswende, die diskutiert werden sollten.

Bis Mitte 2024 können wir das 49-Euro-Ticket aktuell nutzen. Doch wie kann es darüber hinaus finanziert werden? Und ist das zu teuer oder wird an der falschen Stelle geknausert? Stefan Carsten arbeitet als Stadtgeograf und Zukunftsforscher in Berlin. Für das Zukunftsinstitut erstellt er den jährlich erscheinenden Mobility Report, außerdem ist er Mitglied des Beirats "Strategische Leitlinien des ÖPNV in Deutschland" beim Bundesverkehrsministerium und arbeitet unter anderem für die Messe IAA Mobility oder die Radbahn Berlin.

Drei Milliarden Euro kostet das 49-Euro-Ticket Bund und Länder jährlich, sagt Carsten. Das sei bis 2025 gesichert, indem Bund und Länder jeweils 50 Prozent der Kosten tragen. Die Verkehrsverbände kalkulieren allerdings mit steigenden Kosten: Insgesamt würde das 49-Euro-Ticket dann statt drei Milliarden bis zu rund vier Milliarden Euro kosten.

Und um genau diese Mehrkosten wird aktuell gestritten: Werden auch sie 50:50 geteilt oder übernimmt eine der beiden Seiten hier möglicherweise einen größeren Anteil?

Geringe Kosten – verglichen mit Subventionen für Autofahrende

Verglichen mit dem Geld, das für Autofahrende ausgegeben wird – für die Pendlerpauschale, die Steuererleichterung für Dieselfahrzeuge und das Dienstwagenprivileg – , sind aber auch vier Milliarden Euro nur "Peanuts", rechnet Carsten vor: Die genannten Subventionen machten 15-17 Milliarden Euro aus und hätten nichts mit der Mobilitätswende zu tun. Als weiteres Beispiel nennt er die Verlängerung der Berliner Stadtautobahn, die laut Carsten "niemandem nützt" und zwischen 1,5 und 2 Milliarden Euro kosten wird – auch das Kosten, die der Bund trägt.

"Das 9-Euro-Ticket war ein eindeutiges Erfolgsmodell, es wurde 50 Millionen Mal verkauft. 49 Euro halten viele jedoch für zu teuer."
Stefan Carsten, Stadtgeograf und Zukunftsforscher

Gerade heutzutage, wo viele Menschen zu Hause arbeiten, würde sich jede und jeder immer wieder neu fragen, wie oft er oder sie das Ticket denn überhaupt monatlich brauchen wird. Deshalb müsste es deutlich günstiger sein, sagt Stefan Carsten. Das 9-Euro-Ticket sei da deutlich reizvoller gewesen.

Deutschland hinkt bei der Mobilitätswende hinterher

In Paris zahlen auch Unternehmen den ÖPNV mit. Über diese dritte Säule der Finanzierung, neben den Ticketeinnahmen und der öffentlichen Hand, wird laut Carsten in Deutschland schon "sehr, sehr lang und sehr breit" diskutiert. Die Wirtschaft, etwa die Industrie- und Handelskammern, stünden im Grunde genommen bereit, nun sei es an der Zeit, das Modell auch umzusetzen.

Ein echtes Pfund für die Mobilitätswende wäre natürlich ein völlig kostenfreies ÖPNV-Ticket, sagt der Zukunftsforscher. Man sehe an anderen Ländern wie etwa Luxemburg, wie positiv sich ein kostenloser ÖPNV wiederum zurück auf die Wirtschaft auswirke.

"Berlin ist verkehrstechnisch wieder in den 1980er-Jahren angekommen."
Stefan Carsten, Stadtgeograf und Zukunftsforscher

Der wichtigste Aspekt der Mobilitätswende ist für Carsten der Stadtumbau, also weniger Raum für Autos und mehr Raum für Fahrradfahrer, Fußgängerinnen und den ÖPNV. Doch der Trend in Berlin geht genau in die entgegengesetzte Richtung: mehr Platz für mehr Autos. Es sei eine "doppelte Rolle rückwärts", die hier momentan vorangetrieben werde.

Glücklicherweise seien schon einige Radprojekte in Berlin auf die Straße gebracht worden, die sehr positiv von der Bevölkerung angenommen würden. Eine Stadt wie Hamburg zeige, dass in dem Bereich noch wesentlich mehr möglich ist, so der Zukunftsforscher.

Shownotes
Mobilitätswende
49-Euro-Ticket: Finanzierung weiter ungeklärt
vom 06. November 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Stefan Carsten, Stadtgeograf und Zukunftsforscher