1945 befreiten die Alliierten KZs wie Bergen-Belsen, Dachau, Mauthausen. Zeitzeugen gibt es immer weniger. Wie Erinnerungskultur heute aussehen kann, zeigt Susanne Siegert erfolgreich auf Social Media: "keine.erinnerungskultur" nennt sie sich da.

An die Shoah erinnern ohne Floskeln und rhetorische Routine? Die deutsche NS-Diktatur, ihre Verbrechen und ihre Gewalt macht Susanne Siegert förmlich greifbar. Ihr Weg beginnt beim historischen Detail, bei einzelnen historischen Fakten und kleinen geschichtlichen Zusammenhängen. Begonnen hat der Weg für die Content-Creatorin damit, dass sie zum KZ-Außenlager Mühldorfer Hart recherchiert hat.

Ein Update für das Erlernte

"Es war eines der größten Außenlager des KZs Dachau, und ich habe dann angefangen, mehr über diesen Ort herauszufinden", sagt sie. Inzwischen hat sich ihre Sicht auf die NS-Diktatur und das erlernte Wissen gewandelt. "Das ist komplett vorbei an dem, wie mir diese Geschichte in der Schule, in Filmen und so weiter vermittelt wurde", sagt sie. "Das ist gefühlt immer nur Hitler gegen die wehrlosen Juden."

"Mühldorfer Hart war eines der größten Außenlager des KZs Dachau, und ich habe angefangen, mehr über diesen Ort herauszufinden, und war beeindruckt, was man da alles so finden konnte."
Susanne Siegert, Content-Creatorin, keine.erinnerungskultur

Zunächst hat sie auf Instagram ihre Fundstücke gezeigt und dokumentiert: Dokumente, Fotos und Interviews von Überlebenden. Ihr eigenes Gesicht war zu Beginn dabei nicht zu sehen. Das war dort ihr erster Post zum Thema:

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Heute hat sie auch einen Account bei Tiktok. Sie nennt sich – wie auf ihrem neueren Insta-Account auch – keine.erinnerungskultur. Susanne hat Journalismus studiert und ist schon länger im Bereich Marketing tätig. Heute arbeitet sie in einer Marketingagentur.

Sie stören die immergleichen Rituale des öffentlichen Gedenkens. Dieses verliefen eben oft nach dem Muster: "Ich sage einmal 'Nie wieder' und 'Wir müssen uns erinnern'. Und dann zitiere ich fünf Überlebende, bevor ich mir selber Gedanken mache, was ich als Person dazu beitragen kann."

Alle sind Akteur*innen

Gerade diese eigenen Gedanken sind aber nach Susanne Siegerts Überzeugung das Wichtigste. Nur so könne jeder, der jetzt in Deutschland lebt, verstehen, dass unser Land wegen dieser Verbrechen der Nazis so ist, wie es ist. "Allein deswegen sind wir Akteur*innen von Erinnerungskultur", ist sie überzeugt.

"Von Politiker*innen würde ich mir wünschen, dass da bei Gedenkreden nicht immer jedes Jahr derselbe Scheiß kommt."
Susanne Siegert, Content-Creatorin, keine.erinnerungskultur

Sie wünscht sich, dass da alle ein bisschen mehr Verantwortung übernehmen, dass diese also nicht immer den Politiker*innen und Gedenkinstitutionen überlassen wird.

Aus den Gedenkstätten und Gedenkinstitutionen bekommt Susanne viel positives Feedback, interessante Fragen und sehr liebe Worte, wie sie sagt. Außerdem ergeben sich auch gelegentlich Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Institutionen.

"Das schönste Kompliment ist, wenn Leute sagen, dass sie selber anfangen zu recherchieren."
Susanne Siegert, Content-Creatorin, keine.erinnerungskultur

Das Bild ganz oben zeigt einen Weg durch den Gedenkort Waldlager an der KZ-Gedenkstätte bei Waldkraiburg.

Shownotes
80 Jahre Kriegsende
So geht digitale Erinnerungskultur
vom 05. Mai 2025
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartnerin: 
Susanne Siegert, Content-Creatorin, keine.erinnerungskultur