Könnte Markus Söder, Ministerpräsident des Freistaates Bayern, bald hinter Gittern landen, weil Bayern keine Fahrverbote ausspricht? Oder ist das alles heiße Luft? Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs erklärt uns, wie realistisch eine Beugehaft in diesem Fall ist.
Der Freistaat Bayern spricht trotz hoher Abgasbelastung keine Fahrverbote aus – jetzt will die bayerische Justiz prüfen, ob Amtsträger in eine Erzwingungshaft oder Beugehaft genommen werden können, um dies zu ändern.
Eigentlich geht es vor allem um eins: um saubere Luft. Seit 2014 ist ein Urteil in Kraft, das den Freistaat Bayern dazu verpflichtet, gegen Feinstaub- und Stickstoffdioxidbelastung vorzugehen. Aber der Staat tut nichts, sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Grit Eggerichs. Verschiedene Stellen wollen den Freistaat zum Reduzieren von Abgasen zwingen. Ein Mittel zum Zweck ist das Androhen von Beugehaft. Die Drohung richtet sich zum Beispiel an den Ministerpräsidenten Markus Söder.
"Es ist so: Weil sich die Landesregierung nicht rührt, versucht die Deutsche Umwelthilfe, die Landesregierung per Vollstreckungsverfahren dazu zu zwingen, sprich: Fahrverbote für Dieselautos auszusprechen."
Die Deutsche Umwelthilfe will die bayerische Landesregierung mit einem Vollstreckungsverfahren dazu zwingen, Fahrverbote für Dieselautos auszusprechen und so die Abgasbelastung zu reduzieren. Das wurde bereits im Februar vom Bundesverfassungsgericht für rechtens erklärt. In diesem Verfahren ist die bayerische Landesregierung zu 10.000 Euro Zwangsgeld verurteilt worden – und dazu den Luftreinhalteplan einzuhalten.
Das Zwangsgeld wurde gezahlt, mehr sei aber nicht passiert, sagt Grit. Die Summe sei vergleichsweise überschaubar. Dazu komme, dass die Gelder im Landeshaushalt bleiben – der Umweltminister zahlt die Strafe ins Nachbarressort ein: in die Kasse des Justizministeriums.
Aktuell geht es vor allem um die Idee
Da bisherige Maßnahmen nicht gewirkt haben, wird nun auch Beugehaft erwogen. Ein EuGH-Urteil erlaubt nationalen Gerichten "jedes erdenkliche Mittel", um Urteile durchzusetzen. Dazu könnte auch Beugehaft zählen. Die ist im deutschen Recht bisher aber eigentlich nur bei Privatpersonen angewandt worden, etwa wenn jemand seine Schulden nicht bezahlt.
Da durch die EU-Richtlinie für saubere Luft auch europäisches Recht eine Rolle spielt, will der bayerische Verwaltungsgerichtshof den EuGH fragen, ob ein Amtsträger in Beugehaft genommen werden darf. Die Antwort könnte aber, laut Landesgerichtshof in München, ein Jahr dauern.
Erst einmal geht es also nur um die Idee, dass Amtsträger der Landesregierung in Beugehaft kommen könnten, sagt Grit. Die Beugehaft an sich sei auch keine Strafe, sondern solle einen Beklagten dazu zwingen, ein Gesetz zu befolgen. Eine Beugehaft darf maximal sechs Monate dauern.
Kräftemessen von Justiz und Politik
Unsere Reporterin Grit hat auch mit Remo Klinger gesprochen, er ist Anwalt der Deutschen Umwelthilfe. Für Remo Klinger geht es in diesem Fall im Kern um die Frage: Wer ist stärker, Politik oder Justiz?
"Das ist ne Grundfrage für den Rechtsstaat – kann er es akzeptieren, dass die Behörden und sogar die Ministerpräsidenten öffentlich sagen, man wird Urteile nicht einhalten. Wenn wir das akzeptieren, können wir uns den Rechtsstaat abschminken."
Markus Söder hat im bayerischen Landtag verkündet, dass Bayern ein Autoland und Fahrverbote daher absurd seien. Als Reaktion darauf hat die Deutsche Umwelthilfe das Gerichtspapier zum Thema Beugehaft durch die Süddeutsche Zeitung an die Öffentlichkeit zu bringen lassen.
Reinhard Senftl, Vizepräsident des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, hofft jedenfalls, dass sich durch diese Aufmerksamkeit noch etwas tut – und die Luft in München bald besser wird.
"Dieses Vorabersuchen des Gerichts hat ja viel Wirbel gemacht. Ohne prophetisch sein zu wollen, vielleicht kommt der Freistaat Bayern ja doch noch zu anderen Erkenntnissen."
Ob eine Beugehaft für Amtsträger nun in Zukunft möglich wird oder nicht – Markus Söder wird es wohl nicht mehr treffen, sagt Grit. In diesem Fall sei es wahrscheinlicher, dass der Regierungspräsident von Oberbayern in die Pflicht genommen werde – denn er ist für den Luftreinhalteplan zuständig.
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