Angelina Boerger hat ihre AD(H)S-Diagnose erst mit 28 Jahren erhalten. Inzwischen hat sie ein Buch dazu geschrieben und klärt über das Thema auf.
Oft werde die Aufmerksamkeitsdefizit-Störung (ADS) oder die Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) bei Mädchen und Frauen übersehen, weil sie sich anders äußere als bei Jungen und Männern, sagt Angelina Boerger.
Die Journalistin, Podcasterin und Buchautorin ist erst vor zwei Jahren auf die Idee gekommen, dass sie betroffen sein könnte. Bei einer Talkshow von Jürgen Domian war eine Frau eingeladen, die über ihre diagnostizierte AD(H)S gesprochen hat.
Angelina Boerger hat anhand des Gesprächs einige ihrer eigenen Symptome wiedererkannt. Für sie war es eine Art Aha-Moment, weil es sie daran erinnerte, dass sie manche ihrer Symptome bereits seit ihrer Kindheit hatte.
"Die Symptome können sich bei Jungs und Mädchen unterscheiden. Das sorgt dafür, dass viele Mädchen beziehungsweise Frauen, wenn überhaupt, erst im Erwachsenenalter diagnostiziert werden."
Mit Ende zwanzig hat Angelina Boerger die Diagnose erhalten. Das sei sehr spät, meint sie. In Deutschland gibt es rund 2,5 Millionen Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. In einigen Fällen werden die Symptome bereits im Kindesalter diagnostiziert. Doch bei vielen bleibt AD(H)S unerkannt.
Das möchte Angelina Boerger ändern und klärt deshalb darüber auf. Zum Beispiel mit ihrem Sachbuch "Kirmes im Kopf" oder als Gast im Podcast "Einfach ganz leben".
AD(H)S: Bei Frauen sind die Symptome eher nach innen gerichtet
Die Störung, die durch die AD(H)S hervorgerufen werde, äußere sich bei Jungen und Männer eher sichtbar und nach außen gerichtet, sagt Angelina Boerger. Sie können oft nicht stillsitzen und sind hibbelig. Bei Mädchen und Frauen finde diese Unruhe mehr im Inneren statt. Sie sind verträumt, können sich nicht konzentrieren und wirken verpeilt, sagt Angelina.
Mädchen sind angepasster und versuchen Symptome zu verstecken
Mädchen sind aufgrund gesellschaftlicher Konventionen angepasster, stiller und versuchen deswegen ihre Symptome zu verstecken, erklärt sie.
Im Erwachsenenalter führe dieses "Maskieren", hinter dem Betroffene die eigene Störung verstecke, dann in manchen Fällen dazu, dass das "Kartenhaus", was sie sich aufgebaut haben, zusammenfalle. Bestenfalls landen sie dann in der Diagnostik, sagt Angelina Boerger.
"Es gibt die klassischen Symptome Hyperaktivität, Impulsivität, Unaufmerksamkeit - diese motorische Unruhe, dieses hibbelig und zappelig sein. Aber bei Mädchen ist es eher so, dass viele der Symptome nach innen gerichtet sind."
Bei Angelina Boerger zeige sich AD(H)S bis heute in vielen kleinen Dingen im Alltag. Sie könne beispielsweise keine Struktur und Ordnung halten, verzettele sich, trage Termine falsch ein und erlebe ständig ein emotionales Auf und Ab.
Bereits vor ihrer AD(H)S-Diagnose hatte Angelina Boerger eine Psychotherapie angefangen, weil sie sich gelegentlich von den alltäglichen Anforderungen überfordert gefühlt habe. Ihren Verdacht, dass sie an einer Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung leide, hat ihr Therapeut nicht wirklich ernst genommen, mit der Begründung, dass Angelina doch erfolgreich im Job und beliebt sei.
Die Sachbuchautorin nimmt an, dass gerade dadurch, dass bei vielen Frauen AD(H)S übersehen werde, das wiederum zu anderen Störungen oder Erkrankungen wie Depression, Angststörungen und Suchtproblematiken führen könne.