Eric Thiel wurde als Waisenkind aus dem Vietnamkrieg gerettet und später in Deutschland adoptiert. Er erzählt von der Suche nach seinen Wurzeln.
Eric zählt in Deutschland zu einer kleinen Minderheit von Adoptivkindern. Er ist eines der 257 Waisenkinder, die man damals Ende der 60er und bis Mitte der 70er Jahre aus Vietnam nach Deutschland gebracht hat. Über sein erstes Lebensjahr in Vietnam weiß er kaum etwas - nur so viel: er wurde in den Wirren des Krieges geboren, möglicherweise am 16. April 1973. So steht es zumindest in den Adoptionspapieren. Aber wann er tatsächlich zur Welt kam und was mit seinen leiblichen Eltern passierte, weiß er nicht.
"Ich erinnere mich an viele Fahrten nach Frankreich. Dort bei meinen Adoptiv-Großeltern im Garten zu spielen. Das waren also die ersten Erinnerungen."
Noch heute sind Erics Rippen verformt, ein typisches Zeichen für Unterernährung. Ordensschwestern in einem Waisenhaus päppeln den kleinen Jungen, der zunächst noch keinen Namen hat, wieder auf. Es herrscht Not in Vietnam und zusammen mit internationalen Organisationen versucht man die Kinder ins Ausland zu vermitteln. Die Anteilnahme ist groß, auch in Deutschland. Die Menschen hier wollen nicht nur gegen die Kriegspolitik der USA demonstrieren, manche wollen auch tatkräftig helfen - so wie Erics Eltern.
Das schwarze Loch
Für die meisten der 257 Adoptierten ist Vietnam nur ein Schwarzes Loch, das sie in sich tragen. Als die ersten ehemaligen Waisenkinder volljährig werden, veranstaltet Terre des Hommes eine Fahrt in das Land, in dem sie geboren wurden. Die Adoptierten sollen die Chance bekommen ihre Heimat, vor allem die Heimat ihrer Familien, die sie nie kennengelernt haben, zu sehen. Auch Eric bekommt damals 1994 Post von der Organisation.
"Ich hab ehrlich gesagt zu diesem Zeitpunkt kein Bock gehabt. Und hab gesagt, Nö! Bin ich noch nicht so weit."
Während eine Gruppe Adoptivkinder nach Vietnam reist, beginnt Eric sein Studium der Elektrotechnik. Weil ein Journalist die Gruppe bei der Reise begleitet, liest er irgendwann einen Artikel im Spiegel darüber, wie die in Deutschland aufgewachsenen Vietnamesen ihre eigentliche Heimat kennenlernen. Und auf einmal packt es ihn. Plötzlich verspürt er auch das Bedürfnis, nach Vietnam zu reisen. Fünf Jahre muss er warten, bis er sich auf die Reise machen kann.
"Das war eigentlich schon ein schönes Gefühl dort. Dankbarkeit. Auch Leute wiederzutreffen, obwohl man die nicht bewusst gesehen hat. Für die war es auch schön zu wissen, die haben was Gutes gemacht."
Schließlich erreicht er sein Ziel. Der Ort, an dem ihn damals Ordensschwestern aufsammelten. Er trifft sogar noch Schwestern, die seit damals an diesem Ort leben. Und plötzlich wird seine Vergangenheit, die er nur aus Erzählungen kennt, real. Nur eine Frage bleibt unbeantwortet: Herausfinden, was damals mit seinen leiblichen Eltern passierte, kann er nicht.