Das Bundesverfassungsgericht verhandelt darüber, ob der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung staatliche Fördergelder zustehen. Bisher bekommen nur die anderen sechs parteinahen Stiftungen Zuschüsse, dieses Jahr insgesamt 148 Millionen Euro. Die AfD sieht sich in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Uns interessiert, welche Rolle politische Stiftungen spielen und welche Voraussetzungen sie erfüllen müssen.

Konrad-Adenauer-Stiftung, Friedrich-Ebert-Stiftung, Heinrich-Böll-Stiftung. Das sind nur drei von insgesamt sieben politischen Stiftungen, die es in Deutschland gibt. Sie sind eng verbunden mit den Parteien im Bundestag und bekommen staatliche Fördergelder aus dem Bundeshaushalt, sogenannte Globalzuschüsse. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung, die der AfD nahesteht, bekommt diese dagegen bisher nicht.

Nadine Lindner, Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio
"Es gibt kein Gesetz, das die Finanzierung der Stiftungen regelt. Die Kritik lautet, dass das zu wenig transparent ist."

Die Bedingungen der Förderung sind nicht gesetzlich geregelt. Nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil von 1986 muss aber sichergestellt sein, dass "alle dauerhaften, ins Gewicht fallenden politischen Grundströmungen in der Bundesrepublik Deutschland angemessen berücksichtigt" werden. Das Kriterium der Dauerhaftigkeit wird daran festgemacht, dass eine Partei zweimal in Folge im Bundestag vertreten ist – und das ist der Fall: Die AfD war 2021 zum zweiten Mal nach 2017 in den Bundestag eingezogen.

Im Haushaltsgesetz für 2022 wurde allerdings ein neuer Passus eingefügt: Demnach dürfen keine Globalzuschüsse gewährt werden, "wenn begründete Zweifel an der Verfassungstreue von Organen oder Beschäftigten bestehen". Das Urteil des höchsten deutschen Gerichts wird frühestens in einigen Monaten verkündet.

"Eine sehr deutsche Konstruktion"

Die parteinahen Stiftungen haben mit der deutschen Nachkriegsgeschichte zu tun, hat uns der Politikwissenschaftler Antonius Souris erklärt. Nach dem Zweiten Weltkrieg habe man die Demokratie festigen wollen – und die freiheitlich demokratische Grundordnung in die breite deutsche Bevölkerung hineintragen.

"Die parteinahen Stiftungen sind eigentlich eine sehr deutsche Konstruktion. Nach dem Zweiten Weltkrieg wollte man die Demokratie festigen, in Deutschland und die freiheitlich demokratische Grundordnung in breite Bevölkerungsschichten hineintragen."
Antonius Souris, Politikwissenschaftler an der FU Berlin

Inzwischen hätten sich diese Aufgaben verändert und sehr erweitert: politische Bildung, Forschung, Beratung, Dialogformate, Veranstaltungen.

Internationale Aufgaben von Stiftungen

Wichtig sei auch der Unterschied zwischen der nationalen Dimension und der internationalen Dimension einer Stiftung. Die internationale Dimension werde dabei immer wichtiger. Gerade in heiklen politischen Situationen oder Regionen seien Stiftungen da sehr aktiv, so Antonius Souris.

Anders als bei Parteien gibt es keinen spezifischen Grundgesetzartikel, der die Zulassung einer parteinahen Stiftung regelt. Natürlich muss sie aber von der Partei als parteinahe Stiftung anerkannt werden. Bei der AfD hatten zum Beispiel zwei Stiftungen um die Gunst der Partei gebuhlt, erinnert der Politikwissenschaftler.

Partei ≠ Stiftung

Grundsätzlich sind die Stiftungen von den Parteien unabhängig, sagt Antonius Souris. Gleichzeitig sind Stiftung und Partei aber natürlich wirtschaftlich, organisatorisch und personell eng verbunden – die Stipendiatinnen und Stipendiaten der einzelnen Stiftungen sind zum Beispiel häufig der Parteinachwuchs. Heutige Spitzenpolitiker*innen waren vielfach Stipendiat*innen der jeweiligen parteinahen Stiftung.

Die Stiftungen direkt bei den Parteien anzusiedeln – und dann die Friedrich-Ebert-Stiftung einfach SPD-Stiftung zu nennen oder die Konrad-Adenauer-Stiftung stattdessen CDU-Stiftung – hält der Politikwissenschaftler für nicht wirklich zielführend. Denn Stiftungsarbeit sei praktisch keine Parteiarbeit. Letztere beziehe sich vor allen Dingen auf Parteimitglieder, das seien meistens geschlossene zweckgebundene Veranstaltungen. Die Stiftungen böten dagegen viel stärker ein allgemeines gesellschaftspolitisches Angebot, das allen Bürger*innen offensteht.

Shownotes
AfD-Klage vor dem BVerfG
Wofür wir politische Stiftungen brauchen
vom 25. Oktober 2022
Moderation: 
Thilo Jahn
Gesprächspartner: 
Antonius Souris, Politikwissenschaftler an der FU Berlin