Es gibt in diesen Tagen viele Demos gegen Rechtsextremismus. Und mancher stellt sich die Frage: Was ändert der Protest? Er könnte ein Signal an die demokratischen Parteien sein, sich nicht der AfD anzubiedern, meint der Psychologe Christian Stöcker. Das bringe auch gar nichts.

Es ist ein Fehler, wenn Parteien ständig über die Themen rechtspopulistischer Parteien wie der AfD reden, glaubt der Kognitionspsychologe Christian Stöcker, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg und verantwortlich für den Studiengang Digitale Kommunikation.

"Wenn man sich anpasst an die Themenwelt einer rechtspopulistischen Partei, dann stärkt man damit diese Partei."
Christian Stöcker, Kognitionspsychologe

Das Anpassen an die Themen rechtspopulistischer Parteien stärke diese nur. Das zeigten auch Studien aus der Politikwissenschaft. Ein Beispiel dafür ist das Thema Migration, so Christian Stöcker. Das sei aus dem Nichts auf der politischen Agenda ganz oben gelandet. Der Umgang damit sei exemplarisch.

Was sind wichtige Themen?

In der Politikwissenschaft gibt es den Begriff des "Issue Ownership", erklärt er. Dieser Fachbegriff beschreibt, dass bestimmte Themen (issues) – bestimmten Parteien quasi gehören (to own), also diesen zugeordnet werden. Das Thema Migration zum Beispiel sei eigentlich ein Thema der CDU/CSU gewesen, so Christian Stöcker, "das hat die AfD aber ein für alle Mal geändert."

Untersuchungen aus unterschiedlichen Ländern zeigten: Wenn ein bestimmtes Thema weit oben auf der medialen und politischen Agenda steht, profitiert vor allem diejenige Partei davon, der das Thema "gehört", also mit der die Bürger*innen das Thema verbinden.

Inhaltliche Auseinandersetzung, aber kein Anpassen

Die demokratischen Parteien sollten sich durchaus inhaltlich zum Beispiel mit dem Thema Migration auseinandersetzen. Denn Integrationsprobleme oder auch Bildungsprobleme infolge von Migration gibt es, räumt Christian Stöcker ein. "Aber man kann nicht immerzu so tun, als ob das größte Problem, das dieses Land hat, Migration ist. Denn das ist faktisch nicht der Fall", sagt der Psychologe.

Die Demos sind ein Signal

Deshalb sei es viel klüger, auch komplexe Inhalte verständlich zu machen und zu zeigen, welche Folgen rechtspopulistische Politik für die Menschen hätte, anstatt sich anzupassen.

Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus der vergangenen Tage würden der AfD weh tun, glaubt Christian Stöcker. Die Partei versuche verzweifelt, das Narrativ aufrecht zu erhalten, dass sie die schweigende Mehrheit vertritt. Diese Erzählung sei Kern der AfD. "Aber die schweigende Mehrheit ist gerade auf die Straße gegangen", sagt er.

"Der AfD tun diese Demonstrationen sehr weh."
Christian Stöcker, Kognitionspsychologe

Zugleich seien die Demos ein Signal an die demokratischen Parteien, sich nicht zu sehr bei den Wählern der AfD anzubiedern, findet der Kognitionspsychologe, "sondern eine klare Abgrenzung zu machen (...) und zu sagen: Wir haben ein ganz anderes Angebot an euch."

Shownotes
Kognitionspsychologe Christian Stöcker
"Es ist ein Fehler, AfD-Positionen zu reproduzieren"
vom 24. Januar 2024
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Christian Stöcker, Kognitions­psychologe, Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW)