Stefanie Glinski lebt seit drei Jahren in Kabul und ist jetzt unter schwierigen Bedingungen in die Stadt zurückgekehrt. Neben den Taliban beobachtet sie vor allem Alltag. Ob sich das unter der neuen Taliban-Regierung ändern wird, lasse sich im Moment noch nicht beurteilen.
Die letzten US-Truppen haben Afghanistan verlassen. Die Taliban haben nun die Kontrolle übernommen und wollen eine neue Regierung bilden. Tausende Menschen hatten bis zuletzt noch versucht, das Land zu verlassen. Bilder vom Chaos am Flughafen in Kabul gingen um die Welt. Die Journalistin und Fotografin Stefanie Glinski ist nun – auf Umwegen – nach Kabul zurückgekehrt. Sie lebt seit drei Jahren in Afghanistan – und berichtet von dort.
"Die erste Woche, nachdem die USA und anderen Nato-Staaten mit der Evakuierung begonnen haben, waren die Straßen in Kabul sehr leer, wurde mir erzählt. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht in Kabul. Viele Menschen haben sich nicht nach draußen getraut, haben sich in ihren Häusern versteckt. Die meisten Geschäfte waren geschlossen", sagt Stefanie. Ihr erster Eindruck nach der Rückkehr ist jedoch, dass sich das Ganze inzwischen wieder etwas gelegt hat.
"Die Situation scheint viel entspannter zu sein. Ich habe den Nachmittag heute in einem der größten Märkten in Kabul verbracht, und dort war ein ganz großer Trubel – viele Frauen und Männer, die einkaufen gegangen sind", berichtet sie. Die Angst vor dem, was kommen könnte, sei jedoch auch präsent.
"Man sieht viele Menschen draußen: Frauen, Männer, Kinder. Eigentlich sieht das ganz ähnlich aus, wie zu dem Zeitpunkt, als die Taliban die Stadt noch nicht übernommen hatten."
Ob und inwiefern die Taliban in den Alltag der Menschen eingreifen werden, dass sei im Moment noch nicht abzusehen. "Was ich beobachte ist, dass sehr viele Taliban durch die Stadt fahren, mit Pick-up-Trucks oder auch durch die Märkte laufen", sagt Stefanie. Stefanie erzählt, dass sie viele Menschen gesehen hat, die vor den Banken stehen und versuchen, Geld abzuheben, was momentan jedoch eigentlich fast unmöglich sei.
Die erste Taliban-Herrschaft in Afghanistan zwischen 1996 und 2001 sei für viele Menschen eine Terror-Herrschaft gewesen, an die sie sich noch gut erinnern. Stefanie sagt, dass viele Angst davor haben, dass nun ein ähnliches Terror-Regime folgt wie damals. Das sei der Grund für die Bilder am Flughafen aus den vergangenen Wochen, das sei der Grund, warum viele Menschen das Land verlassen haben oder sich nun verstecken.
"Wie das hier in Zukunft aussieht, ist wirklich schwierig zu sagen."
"Diese Angst lässt sich eigentlich nur begründen aus dem, was wir in der Vergangenheit gesehen haben", sagt die Journalistin. Wie das in der Zukunft mit der neuen Taliban-Regierung aussehe, sei zu diesem Zeitpunkt schwer zu sagen.
Stefanie Glinski war auch am Flughafen. Dort sei allerdings niemand mehr, nur Taliban-Soldaten, die dort jetzt den ganzen Müll aufräumen. "Es gibt viele kaputte Autos und extrem viel Müll und sehr viel Zerstörung. Und es wird natürlich eine Weile dauern", sagt Stefanie Glinski.
"Ich war gestern Nachmittag am Flughafen, und der Flughafen ist komplett leer, mittlerweile auch abgesperrt. Dass kein Mensch mehr."
Kritik, die USA behindere die Pressefreiheit
Am Mittwoch, den 25. August war Stefanie Glinski zusammen mit 14 anderen Journalisten nach Kabul geflogen und dort am Flughafen angekommen. "Wir sind mit dem katarischen Militär geflogen, die uns mitgenommen haben. Und wir wollten dann eigentlich alle gemeinsam in die Stadt gehen", erzählt die Journalistin. Sie hatten Escort und alles organisiert. Aber als sie dann in Kabul gelandet sind, hieß es vonseiten der Amerikaner: 'Nein, das geht nicht'.
"Von uns war niemand US-Amerikaner, wir waren alle europäische Journalisten. Und die USA hat tatsächlich drei Journalisten in die Stadt gelassen, die für Al Dschasira arbeiteten."
Für die deutschen und französischen Journalisten sei das sehr unverständlich gewesen. "Was der Grund dafür war, wissen wir nicht", sagt sie, "auf der anderen Seite braucht Afghanistan Journalisten, weil sehr, sehr viele Journalisten gegangen sind." Stefanie ist dann nach Doha, also Katar, geflogen und von dort aus nach Istanbul. Dort hat sie einige Tage verschnauft und nachgedacht. Schließlich ist sie dann nach Taschkent, die Hauptstadt von Usbekistan, geflogen und ist von dort mit dem Auto nach Kabul gefahren. Die Fahrt hat 25 Stunden gedauert. Probleme bei der Einreise habe es allerdings nicht gegeben.
"Es war wirklich einfach. Die Taliban hat natürlich gesehen, dass wir ausländische Reisende waren. Ich hatte meine Haare mit einem Kopftuch bedeckt. Es war eher Neugier von den Taliban, wer hier kommt, warum wir nach Kabul wollen."
Stefanie Glinski musste sich dann in Kabul offiziell bei der Taliban registrieren lassen und eine Bestätigung holen, damit sie im Land als Journalistin arbeiten kann. Gelegentlich wird sie kontrolliert und muss ihre Erlaubnis zeigen. Aber bisher gab es damit keine Probleme.
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