Viele aktuelle Alben sind lang, vermutlich, damit sie bei Spotify und Co. gut klicken. Das ist keine positive Entwicklung, findet unser Reporter. Denn gut wird ein Album nur dann, wenn die Musiker auch Songs weglassen.
Drei der bislang erfolgreichsten Alben dieses Jahres sind entweder Doppelalben oder sind länger als 60 Minuten. Das sind:
- "Queen" von Nicki Minaj
- "Culture II" von der Rap-Crew Migos
- "Scorpion" von Drake
Alle drei Alben kann man dem erweiterten Feld des Rap und R'n'B zurechnen, was momentan das erfolgreichste Musik-Genre darstellt.
Schon in den 90ern, als Hip Hop kommerziell explodierte, gab es von prägenden Rappern wie 2Pac, Notorious BIG oder dem Wu-Tang-Clan gerne mal die doppelte Länge Vinyl.
Trotzdem: Waschechte Doppelalben waren lange Zeit die Ausnahme im Hip Hop. Was man damals eher mit Bands aus dem Progrock-Bereich verband, wird jetzt nahezu zum Standard in Rap und R&B.
"Besonders lang ist ausgerechnet das eine Album, das nicht durch wahnsinnig große Sound-Varianz besticht. Etwas gemein ausgedrückt: die meisten Songs klingen gleich."
Mit einem Album bekommt man also viel Musik geboten, und viele Alben haben auch Platinstatus, das heißt, sie sind kommerziell erfolgreich. Ein Problem gibt es trotzdem: die mangelnde Qualität. "Auf diesen Alben befindet sich ohne Ende Ausschussware", sagt Deutschlandfunk-Nova-Reporter Ralph Glander. Auch die professionellen Kritiken sind nicht die besten.
Alben mit mehr Songs klicken besser
Ralph sieht ein Problem im Profitstreben und preisträchtigen Chart-Platzierungen. Die werden inzwischen nämlich am besten über mehr Songs erreicht - wegen Plattformen wie Spotify oder Apple Music. Der Zusammenhang:
Bei der Bestimmung der Chart-Platzierungen werden auch Streams berücksichtigt. 1500 Abrufe (zum Beispiel bei Spotify) zählen so viel der Verkauf eines physischen Albums. Ist nun auf einem Album mehr klickbares Material drauf - also zum Beispiel 25 Songs statt nur 10 -, dann erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die 1500 Streams schneller erreicht werden, also umgerechnet der Verkauf eines physischen Albums. So wiederum steigt die Chance, an die Spitze der Charts zu gelangen.
"Das Album als Kunstform ist zur Nebensache geworden."
Das alles ist keine gute Entwicklung, findet unser Reporter Ralph Glander: "Früher mussten die Tracks auf einem Album die Hörer vom Kauf überzeugen. Da haben die Künstler Songs aufgenommen und die besten ausgesucht. Heute nimmt man offenbar wahllos alles, was an Material im Studio herumliegt."
Beispiele für lange Alben
- Die Trap-Crew Migos aus Atlanta. Ihr Album Culture II dauert eine Stunde und sechsundvierzig Minuten.
- Das längste Album will der R&B-Barde Chris Brown haben: Beinahe 160 Minuten dauert sein "Heartbreak on a Full Moon".
- Serientäter der Uferlosigkeit ist aber der kanadische Pop-Hopper Drake. Sein Album "Views" aus dem Jahre 2016 kam auf eine Lauflänge von guten 80 Minuten. Mit dem Nachfolger "Scorpions" kratzt er aktuell an der 1,5-Stunden-Marke.
Aber…
Neben Künstlern, die auf lange Alben setzen, gibt es auch welche, die genau die gegenteilige Strategie verfolgen. Und auch dafür sind die Streaming-Plattformen mitverantwortlich.