Zwei Verletzte, kein Einzelfall: In Bad Freienwalde greifen Vermummte ein Fest für Vielfalt an. Menschen, die sich für Demokratie und Vielfalt einsetzen, werden zur Zielscheibe – oft von rechter Gewalt. Was steckt dahinter?
Eine Gruppe teils vermummter Männer hat in der brandenburgischen Kleinstadt Bad Freienwalde am 15. Juni 2025 das dortige Fest für die Vielfalt angegriffen. Die Männer sollen Schlagwerkzeuge dabeigehabt haben. Mindestens zwei Menschen erlitten Verletzungen.
Inzwischen hat die Polizei einen Tatverdächtigen ermittelt. Offenbar handelt es sich um einen Rechtsextremen, der sich zur Neonazi-Partei Der Dritte Weg bekennt. Der Mann soll bereits in den Jahren zuvor als Störer bei vergleichbaren Veranstaltungen aufgefallen sein. Aufgeklärt sind die Taten noch nicht. Es wird ermittelt (Stand 17.06.2025).
"Das ist ein trauriger Umstand, dass sich Leute Gedanken darüber machen, ob sie im öffentlichen Raum für demokratische Werte und gegen Rassismus einstehen."
Julian Muckel kennt solche Angriffe, quantitativ beobachtet er momentan eine Zunahme und qualitativ die Anwendung massiverer Gewalt. Julian Muckel arbeitet für den brandenburgischen Verein Opferperspektive. Dieser stellt sich gegen Rassismus, Diskriminierung und rechte Gewalt. Zuvor war er für lange Zeit Opferberater in einer Großstadt in NRW. Julian Muckel stellt fest, dass die Angreifer in Bad Freienwalde schwere Verletzungen in Kauf genommen haben.
"Das ist eine Zuspitzung, dass Personen, bewaffnet und vermummt, auf ein demokratisches Sommerfest zugehen und dieses gezielt mit Waffen, mit denen man Personen schwer verletzen kann, angreifen."
Aus seiner Arbeit für den Verein kennt Julian Muckel auch die alltäglichen Über- und Angriffe auf Menschen, deren Migrationsgeschichte äußerlich sichtbar ist und auf offen queerfreundliche Leute. Er sagt: "Die meisten Betroffenen sind Personen, die rassistisch motiviert angegriffen werden". Er zählt einige Beispiele auf:
- Jemand wird rassistisch beleidigt und geschlagen.
- Im Bus setzen sich Leute wegen der Hautfarbe oder wegen des Kopftuchs weg.
- Queerfeindliche Übergriffe während und nach CSD-Veranstaltungen
Er bemerkt bei seiner Arbeit, dass es vermehrt physische Angriffe von rechts gibt, auch dadurch, dass "gewisse Sachen" wieder sagbar sind, vermutet er. Die Einschüchterungsversuche habe er bei dem Fest im Vorjahr 2024 persönlich erlebt.
Neonazis als Beobachter
"Da stand ein bekannter Neonazi am Rande und hat versucht, die Leute einzuschüchtern und hat sie immer wieder mit einem Handy abgefilmt", sagt Julian Muckel. Trotz des Angriffs in diesem Jahr ist er mit dem Ausgang der Feier zufrieden.
"Die Anwesenden haben sich verteidigen können und danach das Fest fortgeführt. Das zeigt den Mut und den Willen, sich gesellschaftlich zu positionieren."
Sich auf Demos, Festen und CSD-Events für eine offene und bunte Gesellschaft einzusetzen, ist tatsächlich riskanter geworden, davon ist auch Michael Götschenberg überzeugt. Er ist ARD-Sicherheitsexperte und beschäftigt sich mit den Themen Extremismus, Terrorismus und Geheimdienste.
Rechtsextremismus auf Wachstumskurs
Der Angriff in Bad Freienwalde passe in das Muster von rechtsextremistischen Jugendgruppen oder Gruppen mit jungen Rechtsextremisten. Diese sind "in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen", stellt Michael Götschenberg fest.
"Rechtsextreme haben es auf Veranstaltungen, die Vielfalt abbilden, auch auf Christopher-Street-Day-Veranstaltungen abgesehen."
Rechtsextreme besuchten gezielt Veranstaltungen – wie eben jene in Bad Freienwalde – um Gewaltaktionen durchzuführen. Als Beispiel nennt er die Organisation Letzte Verteidigungswelle. Gruppen wie diese organisieren sich online – in exklusiven Chatgruppen beispielsweise. Ein Gesinnungstest gehört in der Regel dazu. "Bei der Letzten Verteidigungswelle musste man nachweisen, dass man eine Straftat begangen hat", erklärt Michael Götschenberg.
Statistisch gesehen, gibt es bei den Gewalttaten im Bereich Rechtsextremismus eine deutliche Zunahme. Julian Muckel stellt fest: "Es ist definitiv gefährlicher, das muss man leider sagen."
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