Die Bilder der Anschläge von Paris, Istanbul oder Brüssel graben sich tief in unser Gehirn. Bei vielen Menschen verursachen sie Angst. Eine Angst, die sich tief in unser Gedächtnis gräbt. Dass wir trotzdem weitermachen, ist eine Art Notprogramm.
In Belgien, direkter Nachbar von Deutschland, sterben über 30 Menschen bei einem Terroranschlag. Viele äußern sich in den sozialen Netzwerken schockiert, wütend und ängstlich. Aber draußen auf der Straße ist davon nichts zu spüren. Wir machen weiter wie bisher, gehen zur Uni, treffen unsere Freunde und fahren mit der Bahn. Stumpfen wir ab? Nein, sagt der Neurologe Magnus Heier:
"Das ist eine Art von Notwehr, ich muss ja weiter machen. Wenn ich mein Leben nicht beenden will, dann muss ich in irgendeiner Form weiterleben. Aber das ist ein Verdrängungsvorgang, keine Gewöhnung."
Dass wir jetzt nicht zu Hause bleiben, sondern weiter vor die Tür gehen, ist auch eine Art Trotzreaktion. Auch die Belgier haben noch am Abend der Anschläge demonstriert, dass sie sich von der Angst nicht lähmen lassen. Sie haben sich spontan an der Börse in der Stadtmitte getroffen, um dort öffentlich zu trauern.
Doch auch, wenn wir die Angst nicht zeigen: Der Terror gräbt sich in unser Unterbewusstsein. Zum Beispiel über die Bilder und Videos, die wir in den Medien und Sozialen Netzwerken von den Anschlägen finden. Und je expliziter ihr Inhalt, je mehr Zerstörung und vor allem menschliches Leid darauf zu sehen ist, desto stärker reagieren wir auf die Bilder.
"Sie brennen sich uns in den Kopf ein, wir haben keine Vergessenstaste, wir haben keine Löschtaste im Gehirn. Die Bilder bleiben drin, weil sie eben sehr emotional unterfüttert sind."
Auch die Bilder von Anschlägen und großen Katastrophen können Traumata auslösen, obwohl wir selbst vielleicht nur am Bildschirm dabei gewesen sind. Diese Bilder behalten wir bis zu unserem Lebensende im Gedächtnis, und wir können sie auch nicht kontrollieren, sagt Magnus Heier. Aber es gibt noch einen weiteren Grund, warum Terroranschläge unmittelbar auch Angst auslösen. Sie konfrontieren uns mit einer großen Anzahl von Toten.
Die Illusion von Kontrolle
Rein rational betrachtet ist es wesentlich wahrscheinlicher, dass wir bei einem Verkehrsunfall ums Leben kommen. Allein 2015 gab es in Deutschland fast 3.500 Verkehrstote. Trotzdem haben wir wesentlich weniger Angst, wenn wir am Straßenverkehr teilnehmen. Das liegt zum einen daran, dass bei einem einzelnen Unfall eben nicht so viele Menschen sterben. Natürlich ist jeder einzelne Tote eine Tragödie - aber das Ausmaß ist in unserer Wahrnehmung ein anderes. Und: wir haben im Straßenverkehr eher das Gefühl, alles unter Kontrolle zu haben:
"Sie haben die Illusion, dass Sie im Straßenverkehr immer Herr oder Frau der Lage sind. Was Sie nicht sind - wenn Ihnen frontal jemand rein fährt, dann sind Sie dem genau so ausgeliefert wie bei einem Terroranschlag."
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