Wisente sind wilde Rinder, die europäische Variante des Bisons. In freier Wildbahn leben in Deutschland nur wenige – doch die sorgen für Ärger. Ärger, der jetzt erneut vor dem Bundesgerichtshof verhandelt wird.

Es ist ein eher ungewöhnliches Verfahren, mit dem sich das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland gerade beschäftigen muss.

Wisente sind die größten Landsäuger Europas, sie werden bis zu drei Meter lang und bis zu 900 Kilo schwer. Lange Zeit waren sie bei uns in Deutschland ausgerottet, doch 2013 ist im Rothaargebirge wieder eine Herde ausgewildert worden. Und sie scheint sich wohlzufühlen im Sauerland – aus anfangs acht Tieren sind inzwischen um die 20 geworden.

Hungrige Riesen

Die Tiere haben verständlicherweise auch ihr Revier ausgeweitet – doch genau da liegt das Problem: Wisente lieben Buchenrinde und knabbern sie von den Bäumen ab. "Schälen" nennt sich das Abknabbern wissenschaftlich korrekt.

Dummerweise hat den Wisenten aber niemand erklärt, dass sie die Rinde geschützter Rotbuchen doch bitte in Ruhe lassen sollen. Die Waldbesitzer finden das "Schälen" gar nicht toll und haben geklagt.

"Dass die Wisente die Rotbuchen 'schälen', gefällt den Waldbesitzern gar nicht, deshalb haben sie geklagt."
Britta Wagner, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Die Waldbesitzer wollen erreichen, dass die Wisente nicht mehr auf ihr Gebiet kommen. Dazu soll der Verein, der die Wisente ausgewildert hat, Schutzmaßnahmen einleiten. Außerdem soll der Verein in Zukunft alle Schäden ersetzen müssen, die durch die Wisente verursacht wurden – über die Entschädigungen hinaus, die es bisher schon gab und gibt.

Sind die Wisente schon zu Wildtieren geworden?

Genau hier wird es aber juristisch knifflig für den Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Er muss nämlich entscheiden, ob der Verein überhaupt noch der Halter der Wisente ist oder ob diese inzwischen schon als Wildtiere einzustufen sind.

"Wildtiere genießen in unserem Rechtssystem einen besonderen Schutz."
Britta Wagner, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten

Genau daran hängt nämlich die Haftungs-Frage. Wildtiere genießen in unserem Rechtssystem einen besonderen Schutz – niemand darf sie einfach so abschießen oder einfangen.

Der Prozess am Bundesgerichtshof ist bereits die dritte Instanz. Eigentlich gab es seit März einen Kompromiss: Die Wisente sollten übergangsweise für einige Jahre auf einem umzäunten Gebiet in Staatswald leben. Das sollte genug Zeit bringen, um in Ruhe zu prüfen, wie es weitergehen kann – ob es zum Beispiel möglich ist, die Wisente mit "Lenkungsfütterungen" in andere Waldgebiete zu locken, in denen es ebenfalls leckere Buchenrinde gibt.

Kompromiss funktioniert nicht

Doch dummerweise sind beide Seiten mit dem Kompromiss nicht wirklich zufrieden: Die Waldbesitzer kritisieren, dass die Schäden immer größer werden und bisher nicht wirklich etwas passiert ist. Und der Wisent-Verein will auf Dauer keinen Zaun, weil das dann natürlich nichts mehr mit Auswildern zu tun hat.

Am Bundesgerichtshof steht deshalb jetzt am 19. Juli der zweite Verhandlungstag an. Sollte ein Urteil fallen, kann es sein, dass der BGH das Ganze dann noch mal zum Oberlandesgericht Hamm zurückverweist. Das OLG müsste dann sein Urteil von 2017 anpassen - damals hatte es nämlich auch die Option mit eingeschlossen, die Wisente einzufangen und in einen polnischen Nationalpark umzusiedeln. Der BGH hatte aber bereits am ersten Verhandlungstag im November 2018 angedeutet, dass er das OLG-Urteil so nicht akzeptieren will.

Shownotes
Anknabbern geschützter Rotbuchen
Wisente müssen vor den BGH
vom 19. Juli 2019
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartnerin: 
Britta Wagner, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten