Erkrankte Friseure frisieren über hundert Kunden, ohne jemanden zu infizieren. Und eine Schwangere überträgt mittels ihrer Plazenta das Virus auf ihr Ungeborenes – das liefert neue Erkenntnisse über die Übertragung des Corona-Virus.

Ein Fall in den USA: In einer großen Friseurkette in Missouri mit viel Kundenverkehr arbeitet eine Friseurin trotz Symptomen. Auch ihr Kollege zeigt ein paar Tage später Symptome. Beide arbeiten weiter und schneiden insgesamt 139 Personen die Haare, erzählt Kerstin Baumhöfer von den Deutschlandfunk-Nova-Wissensnachrichten.

Nachdem die beiden positiv getestet werden, schickt die Gesundheitsbehörde alle Kunden in Quarantäne, doch niemand fühlt sich krank. 67 von ihnen lassen sich testen – alle negativ.

Alltags-Masken schützen

Auch alle Kolleginnen und Kollegen bleiben gesund. Die Forschenden führen das darauf zurück, dass sich alle an die Maskenpflicht gehalten haben – sowohl die Friseurinnen und Friseure als auch ihre Kunden und Kundinnen. Es handelte sich dabei nicht etwa um spezielle Masken mit FFP2-Filter, sondern um einfache Stoffmasken.

Viele Experten waren anfangs skeptisch, was den Schutz solcher Alltagsmasken betrifft, erinnert Kerstin Baumhöfer. Die WHO hat sich inzwischen von ihren anfänglichen Bedenken distanziert – mittlerweile heißt es: Die Masken sind sinnvoll, gerade dann, wenn an einem öffentlichen Ort der Mindestabstand nicht eingehalten werden kann.

"Faceshields sind keine Alternative. Die ungefilterte Luft wird von unten und von der Seite immer noch eingeatmet."
Kerstin Baumhöfer, Deutschlandfunk-Nova-Wissensnachrichten

Masken bringen mehr als erwartet. Faceshields hingegen nicht, erklärt Kerstin Baumhöfer. Ein Beispiel aus der Schweiz bestätigt das: In einem Hotel in Graubünden steckten sich alle Mitarbeitenden an, die ein Faceshield trugen – diejenigen, die stattdessen einen Mundschutz verwendeten, nicht. Denn bei einem Faceshield wird die ungefilterte Luft von unten und von den Seiten trotzdem aufgenommen.

Schwangere überträgt über Plazenta das Virus

Eine weitere bisherige Annahme hat sich durch einen neuen Fall geändert: Schwangere zählen hierzulande nicht als Risikogruppe. Jetzt ist zum ersten Mal nachgewiesen worden, dass das Virus von der Mutter auf ihr Neugeborenes übertragen werden kann. Allerdings handelt es sich derzeit um einen Einzelfall: In Frankreich hatte sich eine junge Frau im letzten Drittel der Schwangerschaft mit dem Coronavirus angesteckt. Die Forschenden haben das Virus bei ihr selbst und ebenfalls in ihrer Plazenta nachgewiesen.

"Der Fall beweist: Das Virus kann auch über die Plazenta übertragen werden."
Kerstin Baumhöfer, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten

Der kleine Junge wurde mit Kaiserschnitt auf die Welt gebracht und untersucht. Ergebnis: Die Forschenden konnten das Virus bei dem Kind nicht nur im Blut, sondern auch in den Atemwegen und im Darm feststellen.

Kind zeigte Symptome

Das Kind zeigte nach der Geburt neurologische Symptome, zum Beispiel eine Hirnschwellung, erklärt Kerstin Baumhöfer. Die Forschenden vermuten, dass diese durch die entzündeten Blutgefäße ausgelöst wurden – so wie es auch bei erwachsenen Patienten passiert. Die gute Nachricht: Das Baby hat sich aus eigener Kraft erholt und ist jetzt mit seiner Mutter zu Hause.

"Das Virus braucht bestimmte Rezeptoren, um in die Zellen zu gelangen. Die sind bei einem Fötus nicht gleich vorhanden. Sie bilden sich erst später in der Entwicklung."
Kerstin Baumhöfer, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten

Das bedeutet aber nicht, dass jede erkrankte Schwangere ihr Kind zwangsläufig mit Corona ansteckt. In diesem Fall hatte die Mutter viele Viren im Blut und in der Plazenta, sagt Kerstin Baumhöfer. Das Kind im Mutterleib wird über die Nabelschnur mit Blut versorgt. Aber: Das Virus benötigt bestimmte Rezeptoren, um in die Zellen zu gelangen. Diese entwickeln sich erst in einer späteren Phase der Schwangerschaft. Nicht jeder Fötus verfügt also schon über diese Rezeptoren.

Shownotes
Neues Wissen über Corona-Übertragung
Friseurin: Kunden dank Alltags-Maske nicht angesteckt
vom 16. Juli 2020
Moderatorin: 
Jenni Gärtner
Gesprächspartnerin: 
Kerstin Baumhöfer, Deutschlandfunk Nova Wissensnachrichten