Überall fehlen Leute. Eine Situation, vor der Experten schon vor Jahrzehnten gewarnt haben. Nun wird wieder über längere Wochen- und Lebensarbeitszeit gesprochen, die einzigen Instrumente, die schnell wirken könnten. Denn neues Personal lässt sich nicht schnell aufbauen.
Während der Corona-Pandemie haben sich einige Menschen, deren Job nicht krisensicher war, umorientiert. Bei ihren neuen Jobs schauten viele von ihnen vor allem auf mehr Sicherheit, Perspektive und attraktiveren Arbeitszeiten.
"Die Leute suchen auch ein Stück weit Sicherheit."
Dadurch kam es zu einer Arbeitskräftewanderung zwischen den Branchen: "Piloten, die jetzt Lokführer sind, Flugtechniker, die in der Automobilwirtschaft, oder Flugbegleiterinnen und -begleiter, die jetzt im Einzelhandel arbeiten", sagt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven. Für viele gibt es keinen Grund, in ihre alten Jobs zurückzuwechseln, meint er.
"Die Unternehmen haben, ehrlich gesagt, zum Großteil ein bisschen zugeschaut und viel zu spät Personal neu aufgebaut", so der Wirtschaftsjournalist. Manche Branchen profitierten aber auch durch die Arbeitskräftewanderung, etwa die IT-Branche, Erziehung, Baubranche, öffentliche Verwaltung oder Bundeswehr.
Demografischer Wandel schlägt zu
Die Gastro- und Tourismusbranche suchen händeringend Personal. Aber die Corona-Krise war nur ein weiterer Faktor für den Arbeitskräftemangel in bestimmten Branchen. Tatsächlich zeichnete sich schon um die Nullerjahre ein Fachkräftemangel ab, sagt Nicolas Lieven. Damals wurden IT-Fachleute händeringend gesucht.
"Heute sprechen wir nicht vom Fachkräftemangel, sondern vom Arbeitskräftemangel."
Inzwischen werden nicht nur Fachkräfte, sondern auch ungelernte Arbeitskräfte gesucht – "und zwar in fast allen Bereichen", so der Wirtschaftsjournalist. Besonders betroffen: Branchen, in denen schlecht bezahlt wird, wo die Arbeit körperlich anstrengend ist und die Arbeitszeiten unattraktiv sind.
Der demografische Wandel, über den ebenfalls seit Jahrzehnten gesprochen wird, verschärft die ganze Situation. Immer mehr ältere Menschen gehen in Rente, die sogenannten starken Jahrgänge aus den 60er-Jahren – auch Babyboomer genannt. Ungefähr 20 Millionen Arbeitskräfte werden in den kommenden Jahren vom Arbeitsmarkt verschwinden, sagt der Wirtschaftsjournalist.
Keine schnelle Lösung für Arbeitskräftelücke
Zudem zeichnet sich seit einigen Jahren ab, dass immer weniger junge Menschen zum Arbeitsmarkt hinzukommen, sodass es inzwischen zu einem erheblichen Arbeitskräftemangel gibt. Einige Prognosen zeigen in den kommenden zwölf Jahren eine Lücke von sieben Millionen Arbeitskräften. "Die können wir nicht füllen", sagt Nicolas Lieven.
Die Lücke mit Zuwanderung zu füllen, bedeutet laut Prognosen, dass 400.000 Menschen jährlich zu uns nach Deutschland kommen müssten. Realistisch gesehen werden es wohl aber vielleicht hunderttausend sein, meint Nicolas Lieven, "wenn überhaupt."
Denn noch gibt es unglaublich bürokratische Hürden für Menschen aus dem Ausland, hier in Deutschland ihre Abschlüsse anerkennen zu lassen. Deshalb wird gerade heiß über eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit auf 42 Stunden diskutiert.
SPD-Politiker Sigmar Gabriel hat vorgeschlagen, die Lebensarbeitszeit verlängern. "Wir werden über 'Arbeiten bis 70' diskutieren", meint der Wirtschaftsjournalist. Eine stärkere Automatisierung der Arbeitsprozesse werde auf jeden Fall kommen.