"Ein Terrorist. Ein Krimineller. Ein Extremist": Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern will den Namen des Attentäters von Christchurch niemals nennen. Eine beeindruckende und richtige Strategie, sagt Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen, von der wir alle als Social-Media-Nutzer lernen können.

Für ihre Aussagen, den Namen des Attentäters von Christchurch niemals zu nennen, hat Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern international viel Anerkennung erhalten. Eine gute Idee, das findet auch unsere Reporterin Rebekka Endler - und einmalig in der Geschichte von Terrorakten. Jacinda Ardern lege den Fokus ganz klar auf die Menschen, die am meisten betroffen sind: auf die Opfer. Das sieht auch der Medienwissenschaftler Bernard Pörksen so. Er sagt, Jacinda Ardern entziehe dem Attentäter damit den Sauerstoff der Publizität in einem öffentlichen Akt.

"Sie entzieht dem Täter den Sauerstoff der Publizität in einem öffentlichen Akt, und das ist sehr beeindruckend und womöglich eine bedenkenswerte Strategie."
Bernard Pörksen, Medienwisschenschaftler

Die Publizität und das Interesse der Öffentlichkeit sei schließlich das, worauf so ein Terrorist abziele. so Bernard Pörksen. Und ihm diese Aufmerksamkeit zu verweigern, sei auf jeden Fall auch ein Akt des Widerstands. Diese Strategie stünde beispielsweise im Kontrast zu der Vorgehensweise der Bild-Zeitung und anderen Boulevardmedien hierzulande – nämlich erstmal Namen, Fotos und sogar Videos zu verbreiten.

Berichterstattung als Attentatspornografie

Bernard Pörksen spricht bei einer Berichterstattung, die sich vor allem auf den Täter konzentriert und nicht auf die Perspektive der Opfer, sogar von "Attentatspornografie". 

"Eine Attentatspornografie, die die Perspektive der Opfer, um die es nach meinem Dafürhalten eigentlich gehen sollte und auch gehen müsste, weitgehend unberücksichtigt lässt."
Bernard Pörksen, Medienwisschenschaftler

Zwar sei es ein natürlicher Instinkt, nach einer so unfassbaren Tat nach Erklärungen zu suchen, und deswegen so viel wie möglich über den Täter in Erfahrung bringen zu wollen. Aber wir müssen uns fragen: Wo verläuft die Grenze zwischen gesellschaftlich tatsächlich relevanten Informationen und Sensationsgier? 

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Der Anschlag in Christchurch hatte einen rechtsextremen Hintergrund. Und der zunehmende Terror von Rechtsextremen sei ganz klar etwas, womit wir uns gesamtgesellschaftlich befassen müssen, das sieht auch Bernard Pörksen so. Dabei spiele aber der Name des Täters, seine Kindheit oder sein Aussehen keine Rolle. Besonders wichtig sei es, nicht seine Bilder oder Filme zu übernehmen, und sich so seiner Inszenierungsautorität zu beugen, wie der Medienwissenschaftler es nennt.

Wir alle tragen Verantwortung

Der Journalist und Blogger Sascha Lobo schreibt: "Nach dem Attentat entscheidet sich, ob Medien und Gesellschaft einen 'Erfolg' im Sinne des Täters zulassen". Und damit sind nicht nur Medien gemeint, sondern wir alle, die posten, liken und teilen. Der Medienwissenschaftler Bernard Pörksen fordert dazu auf, dass wir uns über unsere Medienmündigkeit Gedanken machen und uns im Einzelfall immer Fragen, ob wir bestimmte Bilder oder Videos wirklich sehen müssen, um zu verstehen, was passiert ist.

"Medienmündigkeit heißt in einem solchen Fall, sich zu fragen: Dienen die Bilder der Information, der Aufklärung, muss ich sie sehen? Und die Antwort lautet ganz klar nein!"
Bernard Pörksen, Medienwisschenschaftler
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Shownotes
Nach dem Attentat von Christchurch
Keine Aufmerksamkeit für den Täter
vom 19. März 2019
Autorin: 
Rebekka Endler