Die gute Nachricht: Azubis bekommen in Zukunft mehr Geld. 515 Euro Mindestlohn sieht das Bildungsministerium vor. Allerdings: Um junge Leute nachhaltig zu gewinnen, müssen Unternehmen noch mehr tun.
Lohnt sich eine Berufsausbildung? Zumindest was die Finanzen angeht, fällt die Antwort hier je nach Branche sehr unterschiedlich aus. Bald soll dieser Lohnabstand unter Azubis nicht mehr ganz so groß sein: Mindestens 515 Euro sollen alle Auszubildende in Zukunft im ersten Lehrjahr verdienen. Das hat das Bundesbildungsministerium angekündigt: Schon am Mittwoch (15. Mai) soll das Kabinett die Reform des Berufsbildungsgesetzes beschließen. Vorgesehen ist darin auch eine sukzessive Steigerung des Mindestlohns auf 620 Euro bis 2023.
515 Euro gegen Nachwuchssorgen
Das Ziel ist klar: Ausbildungsberufe sollen wieder attraktiver werden. Zuletzt hatten viele Betriebe Probleme, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten zu finden. 2017 blieben beispielsweise 48.000 Ausbildungsplätze unbesetzt.
Neben Lob für diese bundesweite Lösung gibt es jedoch auch Kritik, erklärt Kerstin Ruskowski von den Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten. So kritisiert etwa Michael Theurer von der FDP die Gesetzesreform, die schon im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbart worden war.
FDP: Gehalt ist Verhandlungssache
Nach Ansicht des Fraktionsvize der FDP solle Gehalt nur von Tarifpartnern verhandelt werden – nicht vom Staat. Bedenken zeigt auch die Industrie und Handelskammer, was die Umsetzung des Gesetzes angeht: Sie befürchtet, dass kleinere Betriebe es sich dann nicht mehr leisten könnten auszubilden. Es soll jedoch auch Ausnahmen geben, so Kerstin Ruskowski. Bei anders lautenden Tarifvereinbarungen muss der Mindestlohn nicht gezahlt werden.
Christoph Metzler forscht am Institut der Deutschen Wirtschaft und sagt, die Finanzsituation, mit der Auszubildende ausgestattet sind, sei sehr divers. Hier lohne der Blick auf den Einzelfall. "Menschen, die bei Bosch oder bei Airbus arbeiten, werden in der Regel deutlich mehr bekommen."
Gesamtbild statt einfache Gehaltsrechnung
Bei der Gesamtrechnung, wie viel Auszubildende zur Verfügung haben und benötigen, geht es nicht nur um den Arbeitgeber und die Branche – auch weitere Lebensumstände spielen eine Rolle. Beispielsweise, ob sie noch zuhause wohnen oder umziehen müssen. Ob sie in der Stadt oder auf dem Land arbeiten und wie dringend in der entsprechenden Branche Auszubildende gesucht werden.
"Neben dem Gehalt gibt es noch mehr Summen, die bei den Auszubildenden landen: das Kindergeld, Unterhaltsansprüche der Eltern. Und wenn man auswärts eine Ausbildung macht, hat man die Möglichkeit, eine Berufsausbildungsbeihilfe zu beantragen."
Am Ende, so Christoph Metzler, haben Auszubildende in den meisten Fällen vermutlich mehr Geld als den Mindestlohn von 515 Euro zur Verfügung – etwa wenn Kindergeld oder Berufsausbildungsbeihilfe hinzukommt.
Der Dreh an der Gehaltsschraube könnte auch gar nicht so entscheidend sein, sagt Christoph Metzler, um junge Menschen für eine Berufsausbildung zu begeistern. Um Abiturienten und andere leistungsorientierte Berufsanfängerinnen zu gewinnen, seien konkrete Karrierewege und attraktive Zusatzqualifikationen wichtig. Die im Reformpaket beschriebenen weiteren Zusatzqualifikationen "Bachelor Professional" und "Master Professional" hält er allerdings für wenig zielführend: "Ich denke nicht, dass dadurch die Ausbildung – insbesondere für Menschen, die ein Studium machen können – attraktiver wird."
"Viel wichtiger, dass sich Auszubildende wohl fühlen"
Außerdem empfiehlt Christoph Metzler, das Zwischenmenschliche in der Ausbildung mehr zu stützen. "Gerade in kleinen Unternehmen haben wir immer wieder die Situation, dass Ausbilder in gewissem Maß auch eine Vater- oder Mutterfunktion erfüllen."
"Das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse von Jugendlichen ist etwas, was ich jedem Unternehmen raten würde."
Sorgen, Probleme, besondere Umstände begleiten Berufsanfängerinnen und Berufsanfänger auch in der betrieblichen Ausbildung. Unternehmen sollte es nicht egal sein, wie es jungen Menschen außerhalb der Arbeitszeiten ergeht, rät der Wirtschaftspädagoge. Ausbildungsleiterinnen und Ausbildungsleiter sollten die Möglichkeit zu Förderung und Austausch bekommen und auch durch Sozialpädagogen unterstützt werden.
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