Mit Mitte zwanzig noch zu Hause wohnen, kann bedeuten, nicht aus der Rolle des Kindes raus zu wollen. Es kann aber auch ein Ansporn sein, die Beziehung zu den Eltern umzukrempeln. Weniger Eltern-Kind, mehr generationenübergreifende WG auf Augenhöhe.
Schule fertig, Ausbildung- oder Studienplatz in der Tasche oder erst mal auf ins Ausland. Eigentlich dürfte es zwischen 16 und 19 gute Gründe geben, um von zu Hause auszuziehen. Dennoch bleiben auch nach der Schule nicht wenige bei den Eltern wohnen. Laut dem Statistischen Bundesamt ziehen wir in Deutschland im Schnitt im Alter von 23,8 Jahren aus.
Der Lockdown und die Coronapandemie dürften zu der Entwicklung beigetragen haben, die schwierige Wohnungssuche in Großstädten und die anhaltende Inflation machen es außerdem nicht leichter, finanziell auf eigenen Beinen zu stehen. Gleichzeitig gibt es auch emotionale Gründe, warum der eine oder die andere zögert, wenn es darum geht auszuziehen, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann.
Eltern und Kinder müssen bereit sein, sich zu verändern
Beim Ausziehen geht es darum, den jungen Menschen aus der Rolle des Kindes zu entlassen. Dabei spielen auch die Eltern eine zentrale Rolle, so der Soziologe. Denn seiner Ansicht nach haben Eltern nicht selten den Wunsch, dass die Familie so bleibt, wie sie in den letzten zwanzig Jahren war. Wenn die Kinder ausziehen, bedeutet das auch, dass sich die Familienkonstellation verändert und damit das Leben der Eltern.
"Wer mit 25, 28 oder 30 noch zu Hause wohnt, ist meistens in der Rolle des Kindes stecken geblieben, obwohl er oder sie kein Kind mehr ist."
In Familien, wo die Kinder noch im Erwachsenenalter bei den Eltern wohnen, sei es aber meistens so, dass die Eltern schließlich darauf pochen, dass die Kinder endlich ausziehen, erklärt Klaus Hurrelmann.
Die Chance auf eine neue Art der Beziehung
Nichtsdestotrotz gibt es auch Positivbeispiele für das Eltern-Kind-Wohnen im Erwachsenenalter, sagt Klaus Hurrelmann. Dafür müssen aber beide Seiten bereit sein, das alte Beziehungsmuster hinter sich zu lassen und neue, gleichberechtigter Regeln aufstellen.
Dazu gehört, dass die Aufgaben im Haushalt besprochen und aufgeteilt werden, die erwachsenen Kinder sich an Ausgaben beteiligen und beide Seiten die gegenseitige Privatsphäre respektieren.
"Sind Aufgaben und Verantwortung souverän zwischen Eltern und erwachsenen Kindern aufgeteilt, gleicht die Wohnsituation eher einer WG."
Das kann sehr bereichernd sein, so Klaus Hurrelmann. Gleichzeitig gibt er zu bedenken, dass es altersspezifische Interessen und Bedürfnisse gibt, die bei einem solchen Altersunterschied möglicherweise deutlicher auffallen und sich entsprechend auch auf das Zusammenwohnen auswirken können.